Sie wollen Ihren Arbeitnehmer für die restliche Zeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses freistellen? Oder sind Sie als Arbeitnehmer von Ihrem Arbeitgeber einseitig freigestellt worden und wollen vor Ablauf des alten Arbeitsverhältnisses einem neuen Verdienst nachgehen?
Lesen Sie hier, was Sie dabei beachten sollten und welche potentiellen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen auf Sie zukommen können.
Stellt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung einseitig frei, ist in der Regel davon auszugehen, dass er dem Arbeitnehmer die zeitliche Festlegung der Urlaubszeit überlässt. Der Arbeitgeber räumt damit dem Arbeitnehmer das Recht ein, selbst die konkrete Lage des Urlaubs zu bestimmen.
Für die übrige Zeit lehnt er die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab und gerät so gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug.
Der Annahmeverzug tritt bei einer unwiderruflichen, einseitigen Freistellung sofort ein, es bedarf hierbei keines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr. Durch die Freistellung hat der Arbeitgeber klar zur Kenntnis gebracht, kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu haben.
Liegt hingegen eine vertraglich vereinbarte Freistellung vor, scheidet eine Anwendung des § 615 BGB generell aus.
Die Folgen des Annahmeverzugs
- 615 BGB regelt die Folgen des Annahmeverzugs. Demnach muss sich der Arbeitnehmer den Verdienst, den er infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt, anrechnen lassen. Wie können Sie sich so einen Fall konkret vorstellen? Dazu folgendes Beispiel:
Dem Arbeitnehmer A wurde von seinem Arbeitgeber B zum 30.10.2018 unter sofortiger Freistellung fristgerecht gekündigt. Bereits zum 01.10.2018 findet A einen neuen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber C. Er bezieht dann folglich sowohl vom Arbeitgeber B, als auch vom Arbeitgeber C im Oktober Lohn. Der Arbeitgeber B fordert die Anrechnung, beziehungsweise die Rückzahlung des Lohns.
Die Rechtsprechung
In einem Urteil aus dem Jahr 2002 ( 9 AZR 16 / 01) kommt das Bundesarbeitsgericht zu folgendem Ergebnis:
Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt, kommen Ansprüche aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Das ist der Fall, wenn mit der Freistellung Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllt werden sollen.
Eine unwiderrufliche Freistellung sei ein Angebot zum Abschluss eines Erlassvertrages, welches der Arbeitnehmer durch Nichterscheinen am Arbeitsplatz annimmt. So scheidet eine Anrechnung anderweitig erzielter Verdienste nach § 615 S. 2 BGB aus. Eine Auslegung in dem Sinne, der Arbeitgeber habe sich nur um Rahmen der Vorschriften über den Annahmeverzug zur Zahlung verpflichtet wollen, scheidet aus. dies hätte er in der Freistellung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.
Das Bundesarbeitsgericht hat später jedoch den unten knapp aufgelisteten Regelfall eingeführt. In einem Urteil aus dem Jahr 2006 entschied man sich für die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB.
Es sei i.d.R. davon auszugehen, dass bei der Überlassung der Festlegung der Urlaubszeit im Übrigen der Annahmeverzug eintritt. Der Arbeitnehmer kann dann eben nicht mehr davon ausgehen in der Verwertung seiner Arbeitskraft frei zu sein und nicht mehr an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden zu sein.
Der Regelfall
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung einseitig frei, ist in der Regel davon auszugehen:
- dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zeitliche Feststellung der Urlaubszeit überlässt
- die Arbeitsleistung ansonsten ablehnt
- und damit gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug gerät.
Der Arbeitnehmer muss sich nach § 615 S. 2 BGB jeden weiteren Verdienst anrechnen lassen.
Ob sich der Arbeitgeber konkret das Recht vorbehält sich bei einem Zwischenverdienst des Arbeitnehmers den Wert des Verdienstes anrechnen zu lassen, kann in einigen Fällen der Freistellungserklärung direkt oder durch Auslegung entnommen werden.
Die Auslegung der Freistellungserklärung
Ist der Freistellungserklärung des Arbeitgebers der Vorbehalt zu entnehmen, dass eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes erfolgen soll, bedeutet dies für den Arbeitnehmer folgendes: Er ist in der Verwertung seiner Arbeitskraft frei und damit auch nicht mehr an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Wenn der Arbeitgeber durch die Freistellung den Annahmeverzug mit der Möglichkeit der Verdienstanrechnung herbeiführt, macht er deutlich, dass ihn Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers in der Zeit der Freistellung nicht stören.
Ist die Freistellungserklärung andererseits so auszulegen, dass eine Anrechnung abweichend von § 615 BGB nicht erfolgen soll, so muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass das Wettbewerbsverbot trotzdem gilt. Denn wenn der Arbeitgeber schon den neuen Verdienst nicht anrechnen lässt, so kann er erwarten, dass der Arbeitnehmer seinen neuen Verdienst durch eine andere Tätigkeit erzielt.
Grundlegend gilt darauf zu achten, in welchem Maß sich in der Freistellungserklärung Indizien finden lassen, die für oder gegen eine Anrechnung i.S.d. § 615 BGB sprechen.
Praxistipp
- Widerrufliche Freistellung (feste Angabe, wann Urlaub zeitlich zu nehmen ist) – Anrechnung erfolgt
- Unwiderrufliche Freistellung (die Urlaubstage sind im Freistellungszeitraum nicht festegelegt) – die Anrechnung ist Auslegungssache der Erklärung (+ / -)
- Unwiderrufliche Freistellung mit Hinweis auf Mitteilung eines neuen Verdienstes – Anrechnung ja
- Unwiderrufliche Freistellung mit dem Hinweis, dass ein neuer Verdienst in Ordnung sei – Anrechnung nein, aber die Beachtung des Wettbewerbsverbots
Sollten Sie Fragen zu ihrer Freistellung haben oder als Arbeitgeber einen Rat zu einer bevorstehenden Freistellung unter den oben genannten Gesichtspunkten haben, kontaktieren Sie uns gerne!
Christoph Häntzschel,
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtstipps und Urteile