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04.12.2020: Arbeitszeiterfassung – wann kommt Deutschland seiner EU-rechtlichen Verpflichtung nach?

Ein leidiges Thema für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die exakte Erfassung der Arbeitszeiten. Überstunden? Mehrarbeit? Der Arbeitgeber verlangt mehr – der Arbeitnehmer sagt, er arbeite  bereits regelmäßig mehr als vertraglich vereinbart. Wäre eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung nicht sinnvoll?

Bereits am 14.05.2019 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) im Licht der EU-Grundrechte-Charta die nationalen Gesetzgeber verpflichtet,  Arbeitgeber wiederum zur detaillierten Arbeitszeiterfassung zugunsten ihrer Arbeitnehmer zu verpflichten.

In dem Fall wurde die Deutsche Bank von einer spanischen Gewerkschaft verklagt, weil diese ein entsprechendes System zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer nicht eingerichtet hatte.

Hintergrund ist, dass EU-Richtlinien grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung finden, sondern von den EU-Staaten erst in eigenen Gesetzen umgesetzt werden müssen. Strittig war jedoch bis zum Urteil des EuGH die Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie, da diese ein System zur Arbeitszeiterfassung nicht ausdrücklich vorschreibt.

Der EuGH stellte jedoch klar, dass nur mit einer detaillierten Arbeitszeiterfassung die Einhaltung der vorgegebenen Höchstarbeitszeiten und auch der Ruhezeiten kontrolliert werden kann. Die Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH ist ausschlaggebend auch für alle anderen EU-Staaten.

Für das deutsche Recht heißt das, dass der Gesetzgeber hierzulande alle Arbeitgeber verpflichten muss, ein entsprechendes System einzurichten. Das ist bisher lediglich in einigen Teilbereichen der Wirtschaft geschehen, wie etwa im Bau-, Personenbeförderungs- oder im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (vgl. §§ 17 MiLoG, 2a SchwarzArbG). In einigen anderen Wirtschaftsbereichen kommt der deutsche Gesetzgeber seinen EU-rechtlichen Pflichten hingegen bisher nicht nach.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie – sofern sie nicht Teil der bereits verpflichteten Wirtschaftsbereiche sind – grundsätzlich nicht ordnungswidrig handeln, wenn sie die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer nicht detailliert erfassen. Ihnen verbleibt ein gewisser Spielraum. Eine staatliche Kontrolle der Arbeitszeiterfassung erfolgt nicht.

Für Arbeitnehmer in den noch nicht geregelten Wirtschaftsbereichen bedeutet es – nach der Ansicht des EuGH – hingegen, dass sie unter Umständen in der effektiven Durchsetzung ihrer Rechte hinsichtlich der Arbeitszeiten eingeschränkt sind. Hier ist der deutsche Gesetzgeber gefordert.

Egal ob als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer, berate ich Sie gerne zum Thema Arbeitszeiten und Arbeitszeiterfassung.

Ihr Ansprechpartner im Arbeitsrecht in Leipzig:

Christoph Häntzschel

Rechtsanwalt, Mediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht

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