27. April 2011 OLG Köln
27. April 2011
OLG Köln, Urteil vom 18.01.2011, Az. 15 U 130/10
Vorinstanz: Landgerichts Köln Urteil vom 21.07.2010, 28 O 146/10
§§ 823 I;1004 II Satz 2 BGB analog; Art. 2 I GG
Das OLG Köln hatte über die Rechtmäßigkeit eines Zeitschriften-Artikelsunter dem Titel „Die Abmahn-Industrie“ zu entscheiden, in demallgemein über Abmahnanwälte, die wegen Filesharing abmahnen, kritischberichtet wurde. Das Gericht sah in dem konkreten Artikel keine Verletzung des(Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwalts.
Sachverhalt
Das Magazin „D.“ hatte einen Artikel über die „DieAbmahn-Industrie veröffentlicht.
Ein Rechtsanwalt, der Alleininhaber und Mit-Namensgeber einerAnwaltskanzlei, die ihren Schwerpunkt im Bereich der Durchsetzung vonAnsprüchen wegen Filesharings und weiteren Urheberrechtsverstößen im Internethat, empfand die im Artikel enthaltenen Äußerungen als unwahr. Der im Artikelgeäußerte Vorwurf unberechtigter Geldeinforderungen durch die Anwaltskanzlei imAbmahnbereich sei in höchstem Maße ehr-, ruf- und kreditschädigendend.
Nachdem außergerichtlich keine Unterlassungserklärungabgegeben wurde, hat der Rechtsanwalt den Verlag und den Autor des Artikels vordem Landgericht auf Unterlassung verklagt.
Das Landgericht Köln hatte dem Unterlassungsantraguneingeschränkt und dem Freistellungsantrag hinsichtlich der außergerichtlichenAnwaltskosten teilweise stattgegeben. Das Landgericht sah den Rechtsanwalt alsMitglied der in dem Artikel namentlich benannten Anwaltskanzlei durch diebeanstandeten zwei Äußerungen in dem Artikel betroffen. Bei den Äußerungenhandele es sich um Tatsachenbehauptungen mit dem Inhalt, dass u. a. der Klägerbei Abmahnungen gegenüber den Abgemahnten falsche Angaben mache, falsch abrechneund sich damit strafbar mache. Diese Äußerungen in dem Artikel seien nachMaßgabe einer Güter- und Interessenabwägung rechtswidrig, weil die Beklagtender ihnen obliegenden erweiterten Darlegungslast für die Wahrheit ihrerBehauptungen mangels substanziierten Vorbringens fällig geblieben seien.
Auch eine Berufung auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattungsei nicht erlaubt, da sie der ihnen obliegenden journalistischen Sorgfalt nichtgenügt hätten, weil es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, die für denWahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst Öffentlichkeitswertverleihen könnten, fehle.
Gegen dieses Urteil haben der Verlag und der Autor Berufungenbeim OLG Köln eingelegt.
Rechtslage
Das OLG hielt die Berufungen der Beklagten für begründet undhat das Urteil des Landgerichts aufgehoben.
Ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen stehedem Rechtsanwalt aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Insbesondere aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog inVerbindung mit § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des durch Art. 2 Abs. 1(i. V. m. § 1 Abs. 1) GG geschützten (Unternehmens-) Persönlichkeitsrechts, ergibtsich kein solcher Unterlassungsanspruch.
Der Rechtsanwalt ist laut OLG durch die in dem Artikel“Die Abmahn-Industrie“ beanstandeten Äußerungen nicht in seinemPersönlichkeitsrecht betroffen.
Das Gericht führt dazu im Einzelnen aus:
Die beiden Äußerungenstehen unter der Zwischenüberschrift „Gebührenfalle“ und folgen den allgemeinenAusführungen, dass sich für Rechtsanwälte das Abmahn-Business nur lohnt, wennsie auch eigene Gebühren geltend machen können, wofür ihnen durch das RVG aberGrenzen gesetzt seien. Ein Anwalt könne Erstattung von Abmahngebühren nurverlangen, soweit diese dem Mandanten durch seine Einschaltung entstanden seienund er diese diesem auch in Rechnung stellen könne. Genau hier werde aber vonvielen Experten ein grober Rechtsbruch im System der Massenabmahner gesehen.Denn über Verträge sei oft geregelt, dass die Rechtsinhaber nicht für dieRechtsverfolgung zahlen, dafür aber auf einen Teil ihres Schadenersatzanspruchsverzichten müssen. Diesen Erklärungen folgen die ebenfalls allgemein gehaltenenkonkret beanstandeten zwei Äußerungen. Bis hierhin ergibt sich aus dem Artikelzweifellos kein Bezug auf die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers, die unter dergenannten Zwischenüberschrift nicht erwähnt wird. Die beanstandeten Äußerungenstehen unter der Prämisse der voranstehend geschilderten Befürchtungen vielerExperten und knüpfen daran den Schluss, dass sich Anwälte in diesem Fallerechtswidrig, wettbewerbswidrig und strafrechtlich relevant verhalten würden.Die Berichterstattung bleibt in diesem Zwischenabschnitt durchgehend abstrakt.Der diesen Abschnitt abschließende Satz „Allein: Es fehlen die Beweise,das Kartell des Schweigens hält noch“ führt deutlich vor Augen, dass vonden auf der Grundlage dieser Prämisse in der Anwaltschaft vorhandenen schwarzenSchafe, die sich zudem in der Minderzahl befinden sollen, da „sich dieüberwiegende Anzahl der Kanzleien“ an die Grenzen des Gesetzes hält, keineinziges festgemacht werden könne.
Die Kanzlei desKlägers wird neben anderen Rechtsanwälten in einem davon klar getrenntenAbschnitt unter der eigenständigen Zwischenüberschrift „Kurze Wege“erwähnt. Bei den Zwischenüberschriften „Gebührenfalle“ und“Kurze Wege“ handelt es sich um verschiedene Aspekte unter demHauptthema des Artikels „Abmahn-Industrie“. Dementsprechend wird dieKanzlei des Klägers nicht als Exempel für ein Anwaltsbüro angeführt, dasunberechtigte Forderungen geltend macht, sondern als Exempel der zurAbmahn-Szene gehörenden Anwaltschaft. Diese wird als eine von mehrerenProtagonisten der Abmahn-Szene beleuchtet, zu der die Kanzlei des Klägers auchunstreitig gehört, und es wird unter Beigabe eines Bildes von dem gemeinsamenEingang von der Kanzlei mit der Firma F. GmbH & Co. KG berichtet, dass sichdiese Firma auf die Täterrecherche in Tauschbörsen spezialisiert hat und aufdem Klingelschild dieses Unternehmens steht: „Bitte bei O. + M.klingeln“. Der Sinngehalt dieses Artikels beschränkt sich insoweit auf die- insoweit auch unstreitig richtige – Aussage, die Kanzlei des Klägers betätigesich wie viele andere Rechtsanwälte in der Abmahn-Szene. Selbst wenn man eineVerbindung zu dem vorausstehenden Absatz unter der Zwischenüberschrift“Gebührenfalle“ sehen wollte, würde sich dieser auf den Sinngehaltbeschränken, dass bezogen auf die in der Abmahn-Szene tätigen Rechtsanwälteunter Einschluss der Kanzlei des Klägers bei einem geringeren Teil von diesenlaut Expertenerklärung mit rechtswidrigen Gebührenforderungen zu rechnen seinkönne. Bezogen auf die Kanzlei des Klägers werden nur unstreitige Umstände, dieauf eine besonders ausgeprägte effiziente Abmahntätigkeit hindeuten, vor Augengeführt. Soweit es am Ende desselben Abschnitts, der „unterbrochen“wird durch eine Berichterstattung außerhalb des „L. Klüngels“, esbleibe in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Text-Guard mit Sitz in I. ein“Geschäftsbereich“ der N. GmbH ist, die wiederum ebenfalls ihren Sitzim Bürogebäude der Kanzlei des Klägers hat, kommt auch diesen Ausführungen dervorbeschriebene Sinngehalt zu, ohne dass gegenüber der Kanzlei des Klägersirgendein Vorwurf illegalen Verhaltens zu erkennen ist. Die der Wahrheitentsprechende Berichterstattung über eine intensive Abmahntätigkeit imZusammenwirken mit einem in der Täterrecherche tätigen Unternehmen stellt keinedas (Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Äußerung dar.
Eine Revision wurde vom OLG nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatund weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichenRechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung erfordern; die Entscheidungberuht vielmehr auf den konkreten Einzelfallumständen.
Der Streitwert wurde vom Gericht auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
Schlagworte: AbmahnanwälteAutor Darlegungslast Gebührenfalle Filesharing Persönlichkeitsrecht VerdachtsberichterstattungVerlag Zeitschriften-Artikel
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