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Immobilienrecht: Aufklärungspflichten des Verkäufers beim Hausverkauf

3. August 2012: Aushändigung von Bauunterlagen an Käufer ausreichend?

BGH,Urteil vom 11. November 2011- Az. V ZR 245/10

1.Zusammenfassung

Der Verkäufer wird mit der Übergabe von Bauunterlagenseinen Aufklärungspflichten nur gerecht, wenn er aufgrund konkreter Umständedie berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nurzu Informationszwecken, sondern gezielt unter einen bestimmten Aspekt prüfenwird.

 

2.Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrunde liegendeFall hatte die Klägerin mit einem notariellen Kaufvertrag ein 759 qm großesHausgrundstück zum Kaufpreis von 330.000 € erworben. Das Grundstück war miteinem massiven Holzzaun eingefriedet. Diese Einfriedung erfasste auch einen 185qm großen Grundstücksteil, der sich auf dem Nachbargrundstück befand.

Bei unbefangener Betrachtung erschien dieseTeilfläche aufgrund ihrer gärtnerischen Gestaltung dem Anwesen als Vorgartenzugehörig.

Der Beklagte händigte der KlägerinFinanzierungsunterlagen aus, die neben zahlreichen anderen Materialien aucheinen Lageplan des Grundstücks enthielt.

Die Klägerin fordert von den BeklagtenSchadensersatz wegen nicht erfolgter Aufklärung über die Eigentumsverhältnisseam Vorgartenbereich.

 

3.Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Im Zuge seiner Entscheidung hatte der BGH darüberzu urteilen, unter welchen Voraussetzungen die Überreichung von Bauunterlagen denAufklärungspflichten des Verkäufers genügt.

Das Gericht verneint einen Anspruch aufSchadensersatz der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen. AlsEntscheidungsgrund wir der Vorrang der kaufrechtlichen Regelungen nach §§ 434ff. BGB aufgeführt, wonach Ansprüche aus Verschulden aus Vertragsverhandlungengrundsätzlich ausgeschlossen sind.

Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich beiarglistigen Verhalten des Verkäufers.

Dennoch geht der BGH davon aus, dass für denBeklagten eine Pflicht bestand, die Klägerin vor Kaufvertragsabschluss darüberaufzuklären, dass die Einfriedung fremden Grund und Boden mit einschloss undsich das Kaufobjekt nicht bis zum Zaun erstreckte.

Bei Vertragsverhandlungen besteht eine beiderseitigePflicht, die andere Partei über derartige Umstände aufzuklären, die für denKaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Einfriedung eines Grundstücks vermitteltedem Käufer den Eindruck, dass es sich um ein einheitliches Grundstück handelt.

Liegen innerhalb einer Einfriedungunterschiedliche Eigentumsverhältnisse vor ist der Verkäufer in der Pflicht,einem Irrtum des Kaufinteressenten durch Aufklärung über den tatsächlichenGrenzverlauf vorzubeugen.

Die Aufklärungspflicht des Verkäufers istnicht allein dadurch erfüllt, dass er dem Käufer Bauunterlagen, wie einemExpose oder Lagepläne, ohne weitere Konkretisierung übergibt.

Mit der Übergabe von Unterlagen ist dieAufklärungspflicht des Verkäufers nur dann erfüllt, wenn er aufgrund derUmstände die berechtigte Erwartung haben darf, dass der Käufer die Unterlagen gezieltunter einem bestimmten Gesichtspunkt durchsieht.

Solche Umstände liegen etwa vor, wenn demKäufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigenurteilübergeben wird.

Dagegen kann von einem redlichen Käufer nichterwartet werden, dass er Finanzierungsunterlagen oder einen anderen Ordner mitUnterlagen zum Kaufobjekt unter dem Aspekt durchsieht, ob in der Einfriedungdes Grundstücks fremdes Eigentum mit einbezogen ist.

 

4.Fazit

Die Aufklärungspflicht des Verkäufers, demKäufer solche Umstände offen darzulegen, die für den Kaufentschluss vonwesentlicher Bedeutung sind, ist durch die bloße Übergabe von Unterlagen, diedas Kaufobjekt betreffen, grundsätzlich noch nicht erfüllt. Der Verkäufer wirdseinen Pflichten erst gerecht, wenn er davon ausgehen darf, dass der Käufer dieUnterlagen hinsichtlich eines wesentlichen Aspekts wahrnimmt.

Die Übergabe von Unterlagen, die der Käuferzu reinen Informationszwecken nutzt, reicht nicht aus, um die Aufklärungspflichtendes Verkäufers zu erfüllen.

 

Schlagwörter: Aufklärungspflicht,Verschulden bei Vertragsverhandlungen, Bauunterlagen bei Grundstückskauf,andere Größe des Grundstücks, Nachbargrundstück

 

Ansprechpartner für Grundstücksrecht ist:

Christoph Häntzschel

Rechtsanwalt

 

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