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Grundstücksrecht: Bestimmung der verkauften Grundstücksfläche bei unvollständiger Beurkundung

30. Juli 2012: Mitverkauf versehentlich nicht beurkundeter Grundstücksteile.

BGH, Urteil vom 18. Januar 2008, AZ V ZR 174/06

1. Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatentschieden, dass im Falle einer Beschreibung eines Grundstücks im notariellenKaufvertrag, die versehentlich nur einen Teil der zu verkaufenden Flächeumfasst, auch die übrige Fläche des Grundstücks verkauft ist. Der versehentlichnicht beim Notar beurkundete Grundstücksteil ist als mitverkauft anzusehen,wenn die Kaufvertragsparteien die ungenannte Grundstücksfläche anderweitig,durch Umstände außerhalb des Kaufvertrags wie einer Besichtigung, hinreichendbestimmt haben.

Der wirkliche Wille der Parteienund nicht die Falschbezeichnung ist hinsichtlich der Eigentumsverschaffungspflichtdes Verkäufers ausschlaggebend.

 

2. Sachverhalt

 Im entschiedenen Fall kaufte dieBeklagte 1991 von der Stadt E ein Grundstück, das sie dann mit einem Bürogebäudebebaute. Von der umliegenden Gartenanlage befanden sich 1000 qm auf demNachbargrundstück. Hierauf erhielt die Beklagte eine Kaufoption.

1999 verkaufte die Beklagte dasGrundstück wiederum mit notariellen Kaufvertrag an die Klägerin zu einem Preisvon 8 Mio. €.

Die Klägerin besichtigte vorabmit Mitarbeitern der Beklagten das Anwesen. Bei der Besichtigung waren sichalle Anwesenden einig, dass die benachbarte Gartenanlage, die deutlich durcheinen Zaun und durch Bewuchsanordnung von der benachbarten Wiese abgegrenztwurde, zu dem angebotenen Objekt gehört und mit diesem veräußert werden soll.

In den Folgejahren wurde allerdingsbemerkt, dass die Gartenanlage vom notariellen Kaufvertrag nicht umfasst war.

Nachdem die Beklagte es abgelehnthatte, der Klägerin das Eigentum an dem nicht genannten Grundstücksteil zu verschaffen,kaufte die Klägerin die Gartenanlage direkt von der Stadt E zu einem Preis von80.398,91 €.

Zunächst blieb die Klägerin mitihrer Klage, die sich auf Ersatz der Erwerbs-, Vermessungs-, Notar- undRechtsanwaltskosten sowie Grundsteuer richtete, in zwei Instanzen erfolglos.

 
 3. Entscheidung des Bundesgerichtshofs

 Im Rahmen seiner Entscheidunghatte der Bundesgerichtshof darüber zu befinden, wie mit einer versehentlich falschenGrundstücksbezeichnung in einem notariellen Kaufvertrag zu verfahren ist. DerBGH hat das Berufungsurteil ganz überwiegend aufgehoben und die Beklagte zurZahlung von 85.204,37 € verurteilt.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis,dass eine abweichende Grundstücksbezeichnung im Vertragstext nicht schadet,wenn dem Kaufvertrag eine Konkretisierung des zu verkaufenden Objekts durch dieParteien vorangegangen ist.

Im entschiedenen Fall hatte dieBeklagte der Klägerin das Grundstück samt Gartenanlage vorgestellt und auch soverkaufen wollen und verkauft. Bei der unzutreffenden Bezeichnung handele essich um eine sogenannte „falsa demonstratio“, einer versehentlichenFalschbezeichnung, bei der nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklichGewollte ausschlaggebend ist.

Auch ist eine Vermessungentbehrlich, da anhand der tatsächlichen Besichtigung die verkaufte Flächedurch die optische Abgrenzung zur benachbarten Wiese eindeutig bestimmbar ist.

Der Verkäufer ist neben derEigentumsverschaffung der ungenannten Teilfläche gegenüber dem Käufer auch zumSchadensersatz verpflichtet. Weitere Konsequenzen bei derartig gelagertenFällen sind, dass die Grundsteuer nachzuzahlen ist sowie für dieEigentumsübertragung einer neu zu ermittelnden Grundstücksfläche anfallendenNotar- und Vermessungskosten zu ersetzen sind. Die bereits vor der Mahnungentstandenen Rechtsanwaltskosten sind hingegen nicht zu erstatten.

 
 4. Fazit

 Beim Grundstückskauf ist alleinmaßgeblich, von welchem Verkaufsgegenstand die Parteien konkret ausgegangen sindund nicht, wie dieser im notariellen Vertrag bezeichnet wurde.

Um Beweisschwierigkeiten undsonstigen späteren Ärger zu vermeiden, ist bei Kaufverhandlungen beiden Seitenanzuraten, eine Besichtigung durchzuführen und bei dieser den Kaufgegenstandeindeutig festzulegen und dies bspw. mit Hilfe von Skizzen und Fotografienfestzuhalten. Diese sollten dann Bestandteil des notariellen Kaufvertrageswerden.

 

Schlagwörter: Übertragung Grundstücksteil,falsche Angabe im notariellen Kaufvertrag, nicht beurkundete Teilfläche, falscheGrundstücksbezeichnung, falsa demonstratio beim Grundstückskauf

 

Ansprechpartner fürGrundstücksrecht ist:

Christoph Häntzschel

Rechtsanwalt

www.grundstücksrecht-leipzig.de

www.hgra.de

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