12. Oktober 2010: Zur Treuwidrigkeit der Zurückweisung einer Abmahnung wegen fehlender Vollmachtsurkunde.
Zur Treuwidrigkeit der Zurückweisung einer Abmahnung wegen fehlender Vollmachtsurkunde:
OLG Celle Urteil vom 02.09.2010, 13 U 34/10
§ 12 Abs. 1 UWG, § 97 a UrhG, § 174 Satz 1 BGB, § 179 BGB, §242 BGB
In der Entscheidung ging es im Kern um die Erstattung vonAbmahnkosten gemäß § 12 I UWG. Vorausgegangen war eine Abmahnung wegenrechtswidriger allgemeiner Geschäftsbedingungen.
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob einer durchVertreter ausgesprochenen Abmahnung eine Vollmacht im Original beiliegen mussoder nicht.
Ob einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht oder wegen Verletzungvon Urheberrechten, die von einem Vertreter des Abmahnenden verfasst wird, eineOriginalvollmacht des Rechteinhabers beiliegen muss, ist umstritten.
Wenn man diese Frage bejaht, kann der Empfänger derAbmahnung diese wegen Fehlens der Vollmacht zurückweisen. Dies führt zurUnwirksamkeit gemäß § 174 BGB analog.
Diese Zurückweisung durch den Empfänger der Abmahnung kanntreuwidrig sein. Dies hat jetzt das OLG Celle entschieden.
Im Kern stellt das Gericht Folgendes fest: Wenn die in der Abmahnungenthaltene Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eineUnterlassungserklärung abzugeben zugleich das Angebot zum Abschluss einesbestimmten Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen enthält undder Abgemahnte dieses durch Unterzeichnung und Zusendung an den Vertreterakzeptiert, ist die Zurückweisung der Abmahnung unter Hinweis auf das Fehlender Originalvollmacht treuwidrig.
Da die Regelung zur Abmahnung und zur Erstattung vonAbmahnkosten in § 12 I UWG seine Entsprechung in § 97 a Urheberrechtsgesetz findet,ist die Entscheidung auch für Abmahnungen von Verletzungen nach demUrheberrechtsgesetz relevant.
Schlagworte: Abmahnung, Abmahnkosten, treuwidrig,Unterlassungserklärung, Vertragsstrafeversprechen, Vollmacht
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 34/10
26 O 84/09 Landgericht Hannover Verkündet am
2. September 2010
In dem Rechtsstreit hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unterMitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. K., des Richtersam Oberlandesgericht B. und der Richterin am Oberlandesgericht R. auf diemündliche Verhandlung vom 17. August 2010 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Februar 2010verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannoverabgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,80 € nebstZinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 29.September 2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wirdnachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % inHöhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor derVollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckendenBetrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten zum Ersatz ihrerAbmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber und handeln auf derInternetplattform e. mit Elektronikartikeln, Spielekonsolen undSpielekonsolenzubehör. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6.August 2009 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen diverser unwirksamerRegelungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab und forderte ihn auf,die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu ihren Gunsten abzugebensowie die entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Dem Abmahnschreibenlagen eine formulierte Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechensowie eine Kopie der Vollmacht für die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten derKlägerin bei. Mit einem an diesen gerichteten Schreiben vom 7. August 2009 wiesder Beklagte die Abmahnung mangels Vorlage einer Originalvollmachtsurkundezurück, gab jedoch gleichwohl die geforderte strafbewehrteUnterlassungserklärung ab. Er verweigerte aber die Übernahme derRechtsverfolgungskosten mangels rechtswirksamer Abmahnung.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Landgericht dieKlage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es füreinen Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG an einer wirksamen Abmahnung fehle.Bei der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochenenAbmahnung handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, dem die nach § 174BGB erforderliche Originalvollmacht nicht beigefügt gewesen sei. Der Beklagtehabe deshalb die Abmahnung zu Recht unverzüglich zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unterErgänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin dieAuffassung vertritt, dass die der Abmahnung in Kopie beigefügteVollmachtsurkunde zum Nachweis ihrer Bevollmächtigung genüge. Zudem habe derBeklagte ihre Bevollmächtigung konkludent anerkannt, indem er zugleich mit demVerweis auf eine fehlende Originalvollmacht zu ihren Händen eine strafbewehrteUnterlassungserklärung überreicht habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 23. Februar 2010 verkündeten Urteilsdes Landgerichts Hannover, den Beklagten zu verurteilen, an sie 755,80 € nebstZinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abKlagerhebung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung fehle es bereits an einerRechtsverletzung i. S. der §§ 513, 546 ZPO, weil die vom Landgericht vertreteneRechtsauffassung in jedem Fall gut vertretbar sei und das Oberlandesgerichtdeshalb daran – ungeachtet eigener Gewichtungstendenzen – gebunden sei.
Wegen der in der ersten Instanz gestellten Anträge sowie derweiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die Darstellung imTatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann sie vom Beklagten dieErstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € verlangen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Senat beider Prüfung, ob eine Rechtsverletzung nach den §§ 513, 546 ZPO vorliegt, nichtan eine vertretbare Rechtsauffassung des Landgerichts gebunden. Der Beklagteverkennt, dass die von ihm zitierte Rechtsprechung sich auf die Auslegung einerVertragsurkunde bezieht, die vom Rechtsmittelgericht nur insoweit überprüftwird, als es um gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oderVerfahrensvorschriften geht (BGH, Urteil vom 25. Februar 1992, X ZR 88/90, NJW1992, 1967, 1968. OLG Celle, OLGR 2002, 238 f.). Dagegen gehört die Auslegungdes Gesetzes zum Kernbereich rechtlicher Überprüfung in der Rechtsmittelinstanzund unterliegt keinen Beschränkungen (vgl. Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 546Rdn.4).
b) Die Abmahnung der Klägerin vom 6. August 2009 warberechtigt. Die von ihr in dem vorgenannten Abmahnschreiben beanstandeteneinzelnen Klauseln der im Rahmen des e. Angebotes des Beklagten verwendetenAllgemeinen Geschäftsbedingungen verstießen gegen die § 312 d Abs. 1 Satz 1, §355 BGB. § 309 Nr. 5, § 308 Nr. 1 Alt. 2. § 305 c Abs. 1, § 433 Abs.1 Satz 1, § 475 Abs. 1, § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGBInfoV(seit 11. Juni 2010: Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB). § 474 Abs. 1 und 2 Satz2, § 475 Abs. 1 BGB. § 439 Abs. 1, § 475 Abs. 1 BGB. 438 Abs. 1 Nr. 3, 474, 475Abs. 2 BGB. § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 306 BGB. Die Verwendung unwirksamerAllgemeiner Geschäftsbedingungen sowie die Verletzung gesetzlicher odervertragsbezogener Informationspflichten stellen zugleich einenWettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG dar, weil sie als Marktverhaltensregelnim Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer anzusehen sind (KG,GRURRR 2008, 308, 309. Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. § 4 Rdn. 11.156 e).
Der von der Klägerin ihrer Abmahnung zu Grunde gelegteGebührenstreitwert in Höhe von insgesamt 14.000,00 € für sieben Abmahnungen istnicht als überhöht anzusehen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen desBeklagten galten für seine gesamten Produkte, wie z. B. Spielegeräte, Konsolenund entsprechendes Zubehör. Zudem hat die Klägerin sieben verschiedene Regelungenin seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Erfolg beanstandet, diedurchgängig zum Kern des Verbraucherschutzes gehören. Das rechtfertigt denAnsatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr, die der Beklagte auch nicht beanstandethat.
c) Die Abmahnung war auch nicht deshalb unwirksam, weil ihrkeine Originalvollmacht beigefügt war und der Beklagte sie deshalb unverzüglichzurückgewiesen hat. Die Frage, ob entsprechend der Regelung in § 174 Satz 1 BGBdie Wirkungen der von einem Bevollmächtigten ausgesprochenen Abmahnungentfallen, wenn ihr keine Originalvollmacht beigefügt ist und der Abgemahntedie Abmahnung deswegen unverzüglich zurückweist, ist in Rechtsprechung undLiteratur umstritten.
Während die Anwendbarkeit von § 174 Satz 1 BGB auf dieAbmahnung in der Vergangenheit überwiegend verneint wurde (OLG Köln, WRP 1985,360, 361. OLG Karlsruhe, NJWRR 1990, 1323 f.. OLG Frankfurt, OLGR 2001, 270.OLG Hamm, Urteil vom 17. Juli 2008 – 4 U 60/08, zitiert nach juris Tz. 35 ff..Harte Bavendamm/HenningBodewig/Brüning, UWG 2. Aufl., §12 Rdn. 31. Fezer/ Büscher, UWG (2005) § 12 Rdn. 7. Ahrens/Deutsch, DerWettbewerbsprozess 5. Aufl, Kap. 1 Rdn. 108. Melullis, Handbuch desWettbewerbsprozesses 3. Aufl. Rdn. 784. Teplitzky, WettbewerbsrechtlicheAnsprüche und Verfahren
9. Aufl. Kap. 41 Rdn. 6), hat sich inzwischen eine nichtminderstarke Gegenposition etabliert, wonach die Abmahnung alsgeschäftsähnliche Handlung anzusehen sei, auf die § 174 BGB für anwendbarerklärt wird (OLG Düsseldorf, GRURRR 2001, 286 f. und Urteil vom 11. August2009 – 20 U 53/08, zitiert nach juris Tz. 17 ff.. OLG Nürnberg GRUR 1991, 387. Kreft, in:Großkommentar UWG, vor § 13 Rdn. C 78. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG 5. Aufl. § 12 Rdn.11. MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl. § 174 Rdn. 3. Palandt/Ellenberger, BGB 69.Aufl. § 174 Rdn. 2).
Eine vermittelnde Auffassung differenziert danach, ob dieAbmahnung – wie zumeist und auch hier – nicht nur die Aufforderung enthält,innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterwerfungserklärung abzugeben, sondernzugleich bereits das Angebot zum Abschluss eines bestimmtenUnterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen (vgl. dazu: BGHZ 121, 13,17 – Fortsetzungszusammenhang BGH, Urteil vom 25. April 2002 – I ZR 296/99,GRUR 2002, 824 – Teilunterwerfung. Teplitzky, a. a. O. Rdn. 5 m. w. Nachw.). Indiesem Fall sei die Abmahnung nicht auf ein einseitiges Rechtsgeschäft, sondernauf den Abschluss eines Unterlassungsvertrages gerichtet und § 174 BGB nichtanwendbar (OLG Hamburg, GRURRR 2008, 370, 371. Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. §12 Rdn. 1.25 ff.. Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 10. MünchKommUWG/Ottofülling, §12 Rdn. 21).
Der Senat gelangt in den hier maßgeblichen Fällen, in denendie Abmahnung neben der Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eineUnterwerfungserklärung abzugeben, zugleich bereits das Angebot zum Abschlusseines bestimmten Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen enthält,das der Abgemahnte durch Unterzeichnung und Zusendung an den Vertreter ohneVertretungsmacht akzeptiert, gleichwohl aber die Abmahnung unter Hinweis aufdas Fehlen der Originalvollmacht unverzüglich zurückweist, zum selben Ergebnis.
Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass bei Abgabe desVertragsangebots des Gläubigers von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht,dieser (einstweilen) in die Position des Vertragspartners aufrückt (§ 179 BGB).Der vertretene Gläubiger kann den Vertragsabschluss jederzeit mit rückwirkenderKraft genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Vor dem Hintergrund, dass der Schuldnerselbst ein Interesse an der Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens hat, daanderenfalls die Wiederholungsgefahr nicht entfiele, ist in seiner Erklärunggegenüber dem Vertreter ohne Vertretungsmacht immer auch ein Verzicht auf dasWiderrufsrecht aus § 178 BGB zu sehen (Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
Dabei ist allerdings die doppelte Funktion des entsprechendausgestalteten Abmahnschreibens zu berücksichtigen, nämlich einerseits alsAufforderung zur Unterwerfung im Vorfeld eines Prozesses und andererseits alsAngebot zum Abschluss eines bestimmten Unterwerfungsvertrages. Beide Funktionenbestehen unabhängig voneinander, so dass für die Beurteilung der Rechtsnaturder bloßen Abmahnung ihre Verbindung mit einem Angebot zum Abschluss einesUnterlassungsvertrages ohne Bedeutung ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.August 2009 – 20 U 53/08, zitiert nach juris Tz. 18. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a.O. Rdn. 11). Selbst wann man daher annähme, dass das Angebot auf Abschlusseines Unterwerfungsvertrages lediglich neben die Abmahnung träte, ohne dassdies auf ihren Charakter als geschäftsähnliche Handlung Einfluss hätte (OLGDüsseldorf,
a. a. O. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a. O.), rechtfertigte dasaber im Streitfall kein abweichendes Ergebnis. Der unverzüglichen Zurückweisungder Abmahnung wegen Nichtvorlage der Originalvollmachtsurkunde gemäß § 174 Satz1 BGB analog durch den Beklagten kommt hier nämlich deswegen keine rechtlicheBedeutung zu, weil sie im Hinblick auf die zugleich gegenüber dem – aus seinerSicht – ohne Vertretungsmacht agierenden Prozessbevollmächtigten der Klägerinabgegebene Annahmeerklärung des Angebots auf Abschluss eines Unterlassungsvertragesals treuwidrig gemäß § 242 BGB anzusehen ist. Denn insoweit hat der Beklagte,der ein Interesse an der Wirksamkeit des von ihm angenommenenUnterlassungsvertrages nebst Vertragsstrafeversprechen hatte, da anderenfallsdie Wiederholungsgefahr nicht entfallen wäre, in seiner Erklärung gegenüber demProzessbevollmächtigten der Klägerin auf das Widerrufsrecht aus § 178 BGBverzichtet
(Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
2. Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus § 288 Abs.1, §291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidungüber die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutungund zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen.
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