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Filesharing, Urheberrecht: Muss ein Anschlussinhaber einen erwachsenen Haushaltsangehörigen bei der Internetnutzung instruieren und überwachen?

23. April 2012: Prüfpflichten des Anschlussinhabers bei erwachsenen Internetnutzern und Störerhaftung.

 Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es einen Anschlussinhaber in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt, wenn er für Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen durch einen erwachsenen Haushaltsangehörigen als Anschlussinhaber haftet. Eine solche Rechtsansicht kann nur durch den Bundesgerichtshof aufgestellt werden, da es bezüglich dieser Frage schon eine andere Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt gibt. Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Revision in diesem Fall nahe liegend.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.03.2012 – 1 BvR 2365/11

Vorinstanzen:    

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 22.07.2011 – 6 U 208/10
Landgericht Köln, Urteil vom 24.11.2010 – 28 O 202/10

Oberlandesgericht Köln verweigerte einem abgemahnten Polizisten die Revision zum Bundesgerichtshof

In dem jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ging es um die eigene private Haftung eines Polizisten, der auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisiert ist. Der volljährige Sohn seiner Lebensgefährtin beteiligte sich an einer Musiktauschbörse im Internet. Der Polizist wurde daraufhin wegen Filesharing des Stiefsohnes über seinen privaten Internetzugang von mehreren Musikunternehmen abgemahnt. Er sollte zunächst Schadensersatz zahlen und die Abmahnkosten tragen. Da der 20-jährige Sohn der Lebensgefährtin zugab, den Internetzugang genutzt zu haben, nahmen die Musikfirmen den Schadensersatzanspruch gegen den Polizisten zurück.

Die Musikunternehmen hielten aber an den Abmahnkosten fest und reichten Klage beim Landgericht Köln ein. Das Landgericht verurteilte den Polizisten zur Zahlung der Abmahnkosten. Die Richter begründen dies damit, dass der Polizist als Störer für die Urheberrechtsverletzung einstehen muss. Er hat willentlich und adäquat kausal an der Rechtsverletzung mitgewirkt, indem er dem Sohn seiner Lebensgefährtin den Internetzugang zur Verfügung gestellt hat. Außerdem wisse er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, dass Rechtsverletzungen über das Internet möglich sind. Daher hatte er gewisse Prüfpflichten, denen er nicht nachkam.

Gegen diese Entscheidung legte der Polizist Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein und trug vor, dass in der Familie über die Rechtswidrigkeit von Musiktauschbörsen gesprochen wurde. Das OLG Köln sah diese Behauptung als nicht bewiesen und als verspätet vorgetragen an und wies die Berufung im Wesentlichen zurück. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Gegen diese Entscheidung legte der Polizist die Verfassungsbeschwerde ein. Er fühlt sich in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt.

Bundesverfassungsgericht verlangt Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshof

Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde des Polizisten statt und hob die Entscheidung des OLG Köln auf. Nach Ansicht der höchsten Verfassungsrichter verletzt das Urteil des OLG Köln den Polizisten in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Die Nichtzulassung der Revision durch das OLG  wurde nach Ansicht der Richter nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung nahe liegt.

Nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO ist die Revision immer dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Hier war die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Alt. ZPO notwendig. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein und dieselbe Rechtsfrage unterschiedlich beurteilt werden soll und ein allgemeines Interesse an der Entscheidung des Revisionsgerichts besteht.

Oberlandesgerichte Köln und Frankfurt beurteilen die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers unterschiedlich

Das Oberlandesgericht Köln will die Frage nach den Prüf- und Instruktionspflichten eines Internetanschlussinhabers gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses anders beurteilen als das Oberlandesgericht Frankfurt. Nach Ansicht der Frankfurter Richter besteht die Prüfpflicht nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Nutzer den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen wird. Dem Anschlussinhaber müssen daher schon vorherige Rechtsverletzungen bekannt sein. Bei erwachsenen Personen meint das OLG Frankfurt sogar, dass der Anschlussinhaber davon ausgehen darf, dass den erwachsenen Rechtsverletzern bekannt ist, dass sie Rechtsverletzungen nicht begehen dürfen.

Dagegen wollte das OLG Köln bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten – egal welchen Alters – für die Begründung einer Überwachungspflicht ausreichen lassen. Eine solch weite Prüfpflicht kann das OLG Köln aber nicht annehmen, da es die Rechtsfrage anders beurteilen würde als das OLG Frankfurt. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung muss das OLG Köln die Revision zum BGH zulassen, damit dieser die Rechtsfrage klären kann.

Da das OLG Köln dies nicht getan hat, hat das BVerfG die Entscheidung aufgehoben. Nun muss das OLG Köln sich entscheiden, ob sie Prüfpflicht wie das OLG Frankfurt beurteilen oder die Frage endgültig vom BGH klären lassen.

Betroffene Gesetze: Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 19a UrhG, § 97 UrhG

Schlagworte: Abmahnung, Filesharing, Haftung, Prüfpflichten, Recht auf den gesetzlichen Richter, Revision, Störer, Überwachungspflicht, Verfassungsbeschwerde

 

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