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Urheberrecht: Abmahnanwälte und die Gegnerliste als Porno-Pranger

6. September 2012: Veröffentlichung der Namen von abgemahnten Internetanschlussinhabern auf Anwaltshomepage vorerst gestoppt.

Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen an Pornofilmen

Für Überraschung gesorgt hat die Ankündigung der Rechtsanwaltskanzlei U + C  Urmann und Collegen Rechtsanwälte, ab September 2012 eine so genannte Gegnerliste ins Internet zu stellen. U+C hatte auf der  Website www.urmann.com angekündigt, eine Auswahl von  Gegnern „aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen“ zu veröffentlichen.
Zwar sind Gegnerlisten auf Internetseiten von Rechtsanwälten mittlerweile nichts Besonderes mehr, aber die Hintergründe der geplanten Veröffentlichung lassen doch aufhorchen.
Die Rechtsanwaltskanzlei U + C Rechtsanwälte mahnt in großem Umfang Inhaber von Internetanschlüssen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen, die über diesen Anschluss begangen wurden, ab. Mit den Abmahnbriefen haben die Anwälte schon bei vielen Abgemahnten für viel Verdruss gesorgt.
Vorgeworfen werden Urheberrechtsverletzungen durch das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Sexfilmen in Verbindung mit dem gleichzeitigen Anbieten des Werkes im Internet. 
Da aber von außen nicht der eigentliche Täter erkennbar ist, sondern über die IP-Adresse nur der Anschlussinhaber zu ermitteln ist, erhält nur der Anschlussinhaber eine Abmahnung. Ob dieser der Täter war, kann die abmahnende Kanzlei somit nicht wissen.
Zwar bejahen die Gerichte eine Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen Dritter im Rahmen der so genannten Störerhaftung, wenn er seinen Anschluss nicht ausreichend gesichert hat. Aber der Anschlussinhaber ist, wenn er den Film nicht selbst runtergeladen hat, nicht Täter der Urheberrechtsverletzung.
In den zahlreich verschickten Abmahnungen verlangen die Anwälte eine Unterlassungserklärung und die Zahlung  erheblicher Geldbeträge, die sich aus Schadensersatzforderung und der  Erstattung von Anwaltskosten zusammensetzen.
Weil viele Abgemahnten das Risiko eines Gerichtsverfahrens scheuen und ihnen vielleicht auch die vorgeworfenen Pornofilme peinlich sind, zahlen  sie die umstrittenen  Forderungen der Anwälte.
Offenbar sollen nur solche Abgemahnte auf die Liste, die die Geldforderungen nicht gezahlt haben.

Ankündigung einer Gegnerliste auf Anwaltshomepage im Internet

In einer Erklärung vom 20. August 2012 hat sich die Rechtsanwaltskanzlei U + C  Urmann und Collegen Rechtsanwälte darauf berufen, sich bei  der Gegnerliste an einer Entscheidung des  Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2007 (Beschluss vom 12. 12. 2007 – Az. 1 BvR 1625/06) zu orientieren. Das Gericht hätte – so die Anwälte – in der Entscheidung gesagt, dass „das Stehen auf einer derartigen Liste“ keinen Makel darstellen würde.

Eine Gegnerliste von abgemahnten Internetanschlussinhabern ist rechtlich sehr problematisch
Ob das Veröffentlichen einer Gegnerliste im Netz, auf der die Namen von denen stehen, über deren Internetanschluss pornographische Filme runtergeladen wurden, erlaubt ist oder nicht, ist keineswegs so klar, wie von den abmahnenden Rechtsanwälten dargestellt. 

Das Bundesverfassungsgericht und die Gegnerliste von Anwälten

Ob die von den U + C  Anwälten zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Veröffentlichung der geplanten Gegnerliste stützt, ist mehr als fraglich.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besagt gerade nicht,  dass eine solche Gegnerliste in jedem  Fall erlaubt ist.
Entschieden wurde nur, dass ein generelles Verbot für Rechtsanwälte, Gegnerlisten zu führen,  gegen deren Grundrecht der Berufsfreiheit verstoßen würde.
Bei der Entscheidung  des Verfassungsgerichts ging es konkret um eine Gegnerliste von Anwälten, in der juristische Personen und Unternehmen überwiegend im Zusammenhang mit Kapitalanlageberatungen genannt wurden, um damit Werbung für die Kanzlei zu machen. Das Bundesverfassungsgericht erlaubte  im konkreten Fall die Nennung von Unternehmen in einer Gegnerliste von Rechtsanwälten, weil die Anwälte damit ihre Kompetenz zeigen konnten. Damit bestand ein eigenes geschütztes Interesse der Rechtanwälte an der Veröffentlichung der Gegnerliste.
Ganz anders wahrscheinlich bei der Liste von U + C, bei der Verbraucher  in einer Gegnerliste genannt werden sollen, deren Verfahren wohl deswegen noch nicht abgeschlossen sind, weil sie die Forderungen noch nicht gezahlt haben.
Um bei einer solchen Veröffentlichung von Tatsachen zu ermitteln, ob diese erlaubt sind oder  nicht, ist immer eine Abwägung der Interessen vorzunehmen. Es stehen somit die Interessen der Anwaltskanzlei gegen die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Verbraucher, dass Umstände über sie nicht ohne ihre Einwilligung in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
Fraglich ist schon ein eigenes schutzfähiges Interesse der Anwaltskanzlei an einer solchen Gegnerliste: Ob mit der Nennung von vollen Namen von Verbrauchern überhaupt die Kompetenz einer Rechtsanwaltskanzlei gezeigt wird und dies der Eigenwerbung dient, kann man stark bezweifeln.  Die Veröffentlichung dürfte vielmehr dazu führen, dass der Druck auf die Verbraucher erhöht wird, die geforderten Zahlungen zu leisten.
Jedenfalls dürften die schutzfähigen Interessen der Abgemahnten überwiegen.
Insbesondere, da es sich die Namensnennung im Zusammenhang mit Pornofilmen geht, dürfte es  sich bei  einer derartigen Veröffentlichung um einen schwerwiegenden und nicht gerechtfertigten Eingriff in die nach Artikel 2 des Grundgesetzes geschützten Persönlichkeitsrechte der Abgemahnten handeln.  Dies meint auch der Leipziger Medienrechtler Professor Christoph Degenhart, der Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht an der Universität Leipzig ist.
Dazu kommt: Die auf der Gegnerliste veröffentlichten Internet-Nutzer würden als Porno-Konsumenten gebrandmarkt, obwohl gar nicht klar wäre, ob sie selbst oder nur ein Dritter über ihren Internetanschluss die Pornofilme runtergeladen hat.

Veröffentlichung der Gegnerliste vorerst gestoppt

Um sich gegen die Veröffentlichung seines Namens zu wehren, kann man als  Betroffener anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und versuchen, eine einstweilige Verfügung vor Gericht zu erwirken.
Dieser Weg war zumindest in einem Fall jetzt erfolgreich. Das Landgericht Essen hat in einem Beschluss vom 30. August 2012, Az. 4 O 263/12, der Anwaltskanzlei auferlegt, es zu unterlassen, den Namen der Antragstellerin zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, insbesondere wenn die Veröffentlichung im Namen einer „Gegnerliste“ erfolgt.
Die Entscheidung erging im Wege der einstweiligen Verfügung wird auf Grund gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. § 935 ZPO und wegen der Dringlichkeit des Falles ohne vorangegangene Verhandlung.
Zudem wurde, wie die Kanzlei U+C Rechtsanwälte auf http://www.urmann.com/gegnerliste.htm selbst mitteilte, durch eine Anordnung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz die Veröffentlichung einer Gegnerliste vorerst untersagt.
Die U+C Rechtsanwälte kündigten an, gegen diese Anordnung mit einer Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht zu antworten und bis zum Abschluss des Verfahrens keine Gegnerliste zu veröffentlichen.
Ob damit die sogenannte Erstbegehungsgefahr als Voraussetzung für einen Unterlassungsansspruch entfallen ist, darf aber bezweifelt werden. Grundsätzlich kann die Begehungsgefahr zwar schon durch bloßes Unterlassen oder die Ankündigung eines solchen Unterlassens beseitigt werden, aber trotz der Erklärung droht ja weiterhin die Gefahr, irgendwann mal auf der Liste zu erscheinen.
Ein vorbeugendes gerichtliches Vorgehen gegen eine solche Gegnerliste wäre trotz der Ankündigung  der Anwälte wohl möglich. 

Mehr Informationen zum Thema Urheberrecht Abmahnungen wegen Tauschbörsennutzung und Internetrecht finden Sie unter:

http://www.urheberrecht-Leipzig.de

 

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Alexander Grundmann, LL.M.,

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

GrundmannHäntzschel Rechtsanwälte Leipzig

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