Urteil LAG Hamm: Nach Tod eines Arbeitnehmers – Vererblichkeit dessen Urlaubsabgeltungsanspruch an die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB.
31. August 2010
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat mit Urteil vom 22. April 2010, Az.16 Sa 1502/09, festgestellt, dass nach dem Tod eines Arbeitnehmers dessen Urlaubsabgeltungsanspruch durch die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB erworben werden kann.
Dies bedeutet: Stirbt ein Arbeitnehmer, ohne wegen seiner vorangegangenen Krankheit den ihm zustehenden Jahresurlaub noch angetreten zu haben, können sich seine Erben, beispielsweise seine Witwe, nach dem Tode des Mannes dessen Urlaubsanspruch auszahlen lassen.
Mit diese Urteil folgt das Landesarbeitsgericht Hamm einer neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), der zufolge gesetzliche Urlaubsansprüche zukünftig nicht mehr erlöschen, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. Übertragungszeitraums erkrankt, deswegen arbeitsunfähig wird und somit seinen Urlaubsanspruch nicht mehr realisieren kann.
Im konkreten – dem Urteil zugrunde liegenden – Fall erkrankte ein Kraftfahrer und blieb mehr als ein Jahr durchgängig bis zum Tage seines Todes im Jahre 2009 arbeitsunfähig. Weder im Jahre 2008 noch im Jahre 2009 nahm er daher Urlaub.
Das zunächst zuständige Arbeitsgericht als 1. Instanz verwehrte eine Auszahlung der ausstehenden Urlaubstage an die Witwe des Mannes.
Zwar sei die Frau die rechtmäßige Erbin, doch der Anspruch des Ehemanns sei mit dessen Tode erloschen. Nach (damaliger) ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Urlaub nichts anderes als die vorübergehende Aufhebung der Arbeitspflicht. Letztere aber wäre an die Person des Arbeitnehmers gebunden und könne nach dessen Tode nicht wieder hergestellt werden. Damit sei der Abgeltungsanspruch vom verstorbenen Arbeitnehmer nicht mehr zu erwerben und damit auch nicht zu vererben. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schied die Vererblichkeit von gesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen schon deswegen aus, weil der Arbeitnehmer durch seinen Tod den Anspruch Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr geltend machen kann.
Mit Urteil vom 24. März 2010, Az. 9 AZR 983/07, hat das Bundesarbeitsgericht – gestützt auf Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes – diese Rechtsprechung aufgegeben. Bereits aus dem Wortlaut von § 7 III und IV Bundesurlaubsgesetzes ist die Abgeltung nicht davon abhängig, ob der Urlaubsanspruch überhaupt erfüllbar ist. Der Verfall des Anspruchs ist in der Regelung nicht ausdrücklich angeordnet.
Damit steht fest, dass der Anspruch des Verstorbenen nicht erloschen ist.
Offen ist bislang die Frage, ob dieser Anspruch auch vererblich ist. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat dies jetzt bejaht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch – anders als die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung – kein höchstpersönlicher Anspruch ist. Und für solche Ansprüche sei grundsätzlich anerkannt, dass sie vererbbar sind.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Da die Frage der Vererblichkeit solcher Ansprüche noch nicht obergerichtlich entschieden ist, hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Revision gegen das Berufungsurteil zugelassen. Derzeit ist die Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig (Az: 9 AZR 416/10).
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