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30.07.2018: Hemmung von Ausschlussfristen durch Vergleichsverhandlungen?

Führen Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, so wird dadurch nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (BAG) die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 S.1 BGB gehemmt.

 

Zur Erläuterung:

Nach § 203 S.1 BGB wird grundsätzlich die Verjährung eines Anspruchs gehemmt, wenn die Parteien über diesen verhandeln. Hemmung bedeutet, dass die Verjährungsfrist (für die meisten Ansprüche 3 Jahre) nicht weiterläuft. Eine Verhandlung liegt dann vor, wenn der Gläubiger einen Anspruch geltend macht und über diesen ein ernsthafter Meinungsaustausch stattfindet. Dafür darf der Schuldner den Anspruch nicht sofort und erkennbar ablehnen. Fraglich ist, ob eine solche Hemmung auch in Bezug auf sogenannte Ausschlussfristen (auch Verfallklauseln) in Arbeitsverträgen greift.

 

Entsprechende Anwendung des § 203 S. 1 BGB auf Ausschlussfristen

Die arbeitsvertragliche Regelung, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, um dessen Verfall zu verhindern, stellt eine Ausschlussfrist dar. Der Ablauf der Ausschlussfrist führt im Gegensatz zur Verjährung zum Erlöschen des Anspruchs. Anders als bei der Verjährung können sich Ausschlussfristen zudem nicht nur auf Ansprüche, sondern auf Rechte jeder Art beziehen.

Das BAG hat entschieden, dass auf eine solche arbeitsvertragliche Ausschlussfrist die Regelung des § 203 S.1 BGB entsprechend anzuwenden ist. Damit wird entsprechend § 209 BGB der Zeitraum, während dessen die Verhandlungen andauern, in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet.

 

Keine entsprechende Anwendung des § 203 S. 2 BGB

Hingegen ist § 203 S. 2 BGB auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen nicht entsprechend anzuwenden. Diese Regelung besagt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt. Dies bedeutet, dass schon kurze Zeit nach dem Ende der Verhandlungen die Ausschlussfrist ablaufen und der Anspruch verfallen kann.

 

Empfehlung:

Wenn also der Arbeitgeber auf die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer hin vorschlägt, sich einvernehmlich einigen zu wollen und daraufhin Vergleichsverhandlungen geführt werden, so ist genau festzuhalten, wann diese begonnen und beendet wurden. Eine solche Verhandlung ist dann beendet, wenn eine der Parteien ihre Fortsetzung verweigert. Der sich daraus ergebende Zeitraum ist zur Bestimmung des Ablaufs der Ausschlussfrist von dem tatsächlich verstrichenen Zeitraum in Abzug zu bringen.

 

Gern prüfe ich Ihre Ansprüche. Ich stehe Ihnen aber auch für die Gestaltung Ihres Arbeitsvertrages zur Verfügung. Auch die Erstellung eines Musterarbeitsvertrages für Unternehmen bieten wir an.

Christoph Häntzschel

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Leipzig

 

(BAG, Urteil vom 20.06.2018 – 5 AZR 262/17)

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