Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 16.04.2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ein Nacktgemälde abgewiesen.
Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 16.04.2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ein Nacktgemälde abgewiesen.
Die Künstlerin Erika Lust hatte ein gemaltes Bild mit dem Titel »Frau Orosz wirbt für das Welterbe« im Internet veröffentlicht. Das Gemälde zeigte die Dresdner Oberbürgermeisterin – abgesehen von rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern und einer Bürgermeisterkette – nackt.
Fotos von dem Bild wurden später in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.
Die Malerin erhielt daraufhin eine Abmahnung mit der Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes.
Da die Künstlerin die Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, stellte Oberbürgermeisterin Orosz beim Landgericht Dresden Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung.
Das Landgericht Dresden gab Frau Orosz in 1. Instanz Recht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Nacktdarstellung die Verfügungsklägerin in ihrem Recht am eigenen Bild sowie ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit habe zurückzutreten, da auch bei Personen der Zeitgeschichte die Intimsphäre insoweit geschützt sei, als ihnen die Entscheidung über die Veröffentlichung ihres nackten Körpers vorbehalten sei.
Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts jetzt mit Urteil vom 16.04.2010 aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass das Gemälde ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte sei. Dessen Zurschaustellung verletze die Klägerin nicht in ihren berechtigten Interessen.
Abzuwägen sei zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Kunst- und der Meinungsfreiheit der Künstlerin.
Diese Abwägung fällt im konkreten Einzelfall laut OLG zugunsten der Künstlerin aus:
Das Bild ist nicht nur Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens. Satire unterliege dem Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit. Satirische Darstellungen haben einen weiten Freiraum bis zur Grenze der Schmähkritik, da ihnen Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen gerade wesenseigen sind.
Das Werk der Beklagten beinhalte im Kern einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf und sei nicht als Schmähkritik oder Kundgabe von Missachtung anzusehen.
Die Oberbürgermeisterin wird als Werberin für den umstrittenen Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden dargestellt. Dieses »Werben« werde in erkennbar satirischer Absicht durch die Platzierung der Klägerin mit geöffneten Armen und zur Brücke hindeutender Pose verdeutlicht und zugleich ins Lächerliche gezogen. Die Nacktheit der Klägerin könne in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des Unesco-Welterbetitels verstanden werden.
Zu berücksichtigen war nach Auffassung des OLG auch, dass der weibliche und auch männliche Akt zentrales künstlerisches Thema der Beklagten sei. Die Künstlerin greife malerisch ein Motiv auf, wie es literarisch etwa in Andersens Märchen »Des Kaisers neue Kleider« auftauche und habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin „nichts in der Hand habe“.
Dieser Aussagekern bewegt sich im Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Auch die Einkleidung dieser Aussage – die malerische Darstellung des Kopfes der Klägerin mit einem nachempfundenen nackten Körper, Requisiten wie Strapse und Schärpe sowie die leuchtend-aufdringliche Farbgestaltung – müsse die Klägerin hinnehmen. Zwar sei nachvollziehbar, dass sie sich in ihrem Schamgefühl und ihrer Autorität beeinträchtigt sehe. Das Bildnis stelle aber ersichtlich weder einen Vorgang aus dem Sexualbereich dar noch werde die Klägerin in reißerischer Manier oder als Objekt männlicher Begierde zur Schau gestellt.
Sie werde auch nicht als Privatperson, sondern – symbolisiert durch die Amtskette – bei der Ausübung ihrer politischen Tätigkeit abgebildet, was zu weitgehenden Einschränkungen ihrer Privatsphäre führe.
Auch die Erkennbarkeit der Klägerin ändert daran nichts, diese ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass der Aussagegehalt der Meinungsäußerung erkennbar werde. Auch das »Unterschieben« eines fremden Körpers führe nicht zur Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung. Zwar unterliege die Manipulation von Fotografien verschärften verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ein weiblicher Akt auf einem Gemälde unterscheide sich von einer Fotomontage aber dadurch, dass er auch bei naturalistischer Darstellung immer nur eine Interpretation der abgebildeten Person durch den Künstler sei und hier im konkreten Einzelfall nicht den Eindruck einer authentischen Abbildung erwecke.
Daher habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter die Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten zurückzutreten. Das Bild darf daher ohne Einwilligung von Frau Orosz verbreitet werden.
Gegen das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Urteil ist kein förmliches Rechtsmittel mehr möglich. Frau Orosz erklärte, laut einer Mitteilung der Leipziger Volkszeitung vom 21. April 2010, dass die Sache für Sie erledigt sei und es keine weitere juristische Auseinandersetzung dazu geben werde.
Ihr Ansprechpartner im Persönlichkeitsrecht:
Telefon: 0341/22 54 13 82
E-Mail: grundmann [at] hgra.de