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Arbeitsrecht: Überstunden – keine Abgeltung mit Grundvergütung

18. Januar 2011: Pauschale Abgeltungsklauseln für Überstunden in Arbeitsverträgen sind häufig unwirksam.

18. Januar 2011

 

Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 1. September 2010

Aktenzeichen: 5 AZR 517/09

 

1. Zusammenfassung

Viele Arbeitgeber verwenden in ihren Formulararbeitsverträgen Klauseln, wonach mit der monatlichen Bruttovergütung die „erforderlichen Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten sind“. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht nun klargestellt, dass eine solche Regelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam ist.

 

2. Entscheidung des Gerichts

Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Daraus ergeben sich für den Arbeitnehmer zwar unmittelbar keine Ansprüche. Nach Meinung des Gerichts ist jedoch die Vorschrift entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, also Überstunden oder Mehrarbeit auf diese Weise vergütet werden sollen.

Im entschiedenen Fall, wies das Arbeitszeitkonto eines Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein Guthaben von 102 Arbeitsstunden aus. Dieses Guthaben resultierte aus Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer über die wöchentliche Sollarbeitszeit von 45 Stunden hinaus geleistet hatte. Hinsichtlich dieser Zeiten hatte es keine Vergütungsabrede mit dem Arbeitgeber gegeben. Im Arbeitsvertrag war zwar bestimmt worden, dass mit dem monatlichen Bruttomonatsgehalt auch erforderliche Überstunden mit abgegolten seien sollen. Das Gericht hielt diese Klausel jedoch im Ergebnis einer Inhaltskontrolle (AGB-Kontrolle) für unwirksam gemäß § 306 Abs. BGB. Die Regelung sei nicht klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (mangelnde Transparenz).

 

Laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen Andernfalls sei nicht zu erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss demnach so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss Aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht.

Auch bei der streitgegenständlichen Klausel sah das Gericht diese Gefahr. Denn die Klausel solle alle Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarten 45 Wochenstunden überschreiten. Deren Umfang sei jedoch im Arbeitsvertrag nicht bestimmt. Danach bestehe u.a. das Risiko, dass es bei der getroffenen Regelung zu Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz kommen kann.

Im Ergebnis der Entscheidung wurde der Arbeitgeber zur Zahlung der Überstundenvergütung für das beim Ausscheiden bestehende Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers verurteilt.


3. Praxistipp

Bei der Gestaltung von Formulararbeitsverträgen sollte besonders sorgfältig auf transparente Regelungen für die Vergütung von Überstunden geachtet werden. In vielen „Altverträgen“ finden sich Pauschalabreden für die Abgeltung der Überstunden durch das „Grundgehalt“. Infolge der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind diese vielfach unwirksam. Das kann dazu führen, dass Arbeitnehmer in vielen Fällen offene Überstundenvergütung noch einfordern können, sofern nicht Ausschlussklauseln bzw. die Verjährung entgegenstehen.

 

Stichwörter: Arbeitsrecht, Arbeitsvertrag, Überstunden, Mehrarbeit, Abgeltung

 

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