Darf der Arbeitgeber kündigen, obwohl eine adäquate-aber befristete Stelle frei wäre?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsstelle aus betrieblichen Gründen gestrichen wurde, bei anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten vorrangig zu berücksichtigen, auch wenn diese nur befristet ist.
Wann ist eine Kündigung durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt?
Die Arbeitnehmerin war im vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall zuletzt als Leiterin des Aufgabenbereichs „Public & Media Relations“ angestellt. Nach jahrelanger Beschäftigung wurde sie gekündigt. Diese Entscheidung begründete der Arbeitgeber mit dringenden betrieblichen Erfordernissen. Die Aufgaben, die bisher von der Arbeitnehmerin wahrgenommen wurden, sollten fortan zwischen Drittunternehmen und anderen Mitarbeitern verteilt werden. Zwar gab es noch eine freie Stelle im Bereich „Social Media“, diese war jedoch befristet. Es war auch nicht absehbar, ob für die besagte Stelle ein dauerhafter Bedarf bestehen würde. Der Arbeitgeber sah sich deshalb nicht veranlasst, der Arbeitnehmerin diese freie Position anzubieten. Stattdessen stellte er eine neue Mitarbeiterin ein, die einen befristeten Vertrag erhielt.
Die Arbeitnehmerin hingegen war der Auffassung, dass ihr die freie Stelle rechtswidrig verwehrt wurde. Sie ging gegen die Kündigung vor und gewann in allen Instanzen.
Befristung schließt anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht aus
Das BAG entschied, dass eine Kündigung aus den oben genannten Gründen unwirksam war.
Eine solche Kündigung aufgrund betrieblicher Erfordernisse wäre vorliegend nur sozial gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich wäre, dem absehbaren Wegfall des Arbeitsplatzes durch technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen entgegenzuwirken.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet dem Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung, dem Arbeitnehmer von sich aus eine anderweitige Beschäftigung zu gleichen oder auch schlechteren Bedingungen anzubieten. Das gilt eben auch für befristete Stellen.
Auch kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, dass die Stelle infolge der Besetzung mit einer anderen Mitarbeiterin weggefallen ist. Unbefristet eingestellte Arbeitnehmer deren Stelle ausläuft, genießen bei der Besetzung neuer Stellen Vorrang, sowohl vor externen Bewerbern als auch befristet eingestellten Mitarbeitern.
Urteil: (BAG 2. Senat v. 26.03.2015, -2AZR 417/14-)
Stichworte: Kündigung, Befristung, anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
Ihr Ansprechpartner bei Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte für Arbeitsrecht und Fragen des Kündigungsschutzes:
Christoph Häntzschel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mediator
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