18. Mai 2011 Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt
18. Mai 2011
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.01.2011, Az. L 1 R226/07
Vorinstanz: Sozialgericht Halle(Saale), Urteil vom 07.05.2007, Az. S 13 RA 322/04
Betroffene Gesetze:§ 1, 2 Satz 1 KSVG
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hatteüber die Frage einer künstlerischen Tätigkeit und damit über die Aufnahme einerModedesignerin in die Künstlersozialversicherung zu entscheiden. Für dieRichter ist eine Anerkennung in fachkundigen Kreisen als Künstlerin keineVoraussetzung für die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung.
Sachverhalt
Die Klägerin ist diplomierteModedesignerin, die schwerpunktmäßig Braut- und Festmoden entwirft, diese aberdurch eine Schneidermeisterin ausführen lässt. Dem Finanzamt gegenüber zeigtesie ab April 1999 eine freiberufliche Tätigkeit – Modedesign und Koordinationder Fertigung und Marketing, Grafikdesign, Kostümdesign – an. Im ZeitraumDezember 2002 bis November 2003 bezog die Klägerin Sozialhilfe.
In einem Fragebogen der bekalgten Künstlersozialkasse gab die Klägerin im Dezember 2003 an, zu 98 % die Tätigkeit als Modedesignerinund Kostümbildnerin auszuüben. Im März2004 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflichtnach dem KSVG unterliege. Zur Begründung hieß es, dass die Tätigkeit derKlägerin nicht als künstlerisch/publizistisch angesehen werden kann. WürdenEinzelstücke nach eigenen Entwürfen manuell angefertigt, liege nach derRechtsprechung des Bundessozialgerichtes keine künstlerische Tätigkeit vor,wenn der Produzent seine Wertschätzung und sein Einkommen nicht allein ausseiner Entwurfstätigkeit, sondern auch aus dem mit handwerklicher Qualitäthergestellten Endprodukt beziehe. Der Schwerpunkt der Klägerin läge aber v.a. imBereich des Maßschneiderns und somit im handwerklichen Bereich. Auch erfolgekeine Vermarktung der Produkte über Modefirmen.
Gegen diesen Bescheid legte dieKlägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sich ihre Tätigkeitauf den kreativen und gestalterischen Anteil bei der Erschaffung der Modebeschränke. Maßschneiderische Tätigkeiten übe sie nicht aus, sondern lasse siedurch eine Schneidermeisterin durchführen.
Mit dem Widerspruchsbescheid wiesdie Sozialbehörde den Widerspruch zurück. Es reiche noch nicht aus, dass diehergestellten Produkte gestalterische Elemente mit eigenschöpferischemCharakter aufweisen. Zudem habe das Bundessozialgericht in Grenzfällen zwischenkünstlerischer und kunsthandwerklicher Tätigkeit entschieden, dass eine Zuordnungzum Bereich der Kunst nur vorzunehmen sei, wenn der Betreffende mit seinenWerken in einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt undbehandelt werde (Urteil vom 24. Juni 1998, Az: B 3 KR 13/97R).
Das Sozialgericht entschiedzugunsten der Modedesignerin und stellte fest, dass diese nach § 1 KSVGversicherungspflichtig ist. Entscheidend sei nach den Richtern, dass es sich umeinen sogenannten Katalogberuf nach dem Künstlerbericht von 1975 handele, derGrundlage für das KSVG sei, und der Tätigkeit der Modedesignerin eineeigenschöpferische Leistung zugrunde liegt, die über den Bereich des handwerklichenhinausgeht. Dies nahmen die Richter aufgrund der Ausbildung der Modedesignerinund des Schwerpunkts der Arbeit an. Auch sei die Modedesignerin als Künstlerinanerkannt, was schon an einem Lehrauftrag und der Teilnahme an Hochzeitsmessensowie der Mitarbeit in einer Jury für ein Modecasting deutlich werde.
Gegen diese Entscheidung legtedie Sozialbehörde Berufung ein.
Rechtslage
Das Landessozialgericht hielt die Berufung derBeklagten nur für teilweise begründet.
Die Klägerin ist alsModedesignerin künstlerisch tätig und daher grundsätzlich in dieKünstlersozialversicherung aufzunehmen.
Wann jemand künstlerisch tätigist, ist aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinenVerkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen. AlsModedesignerin fällt sie unter § 2 Satz 1 KSVG. Das Gericht führt dazu imEinzelnen aus:
Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunsttrotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeitenumfasst, mit denen sich der „Bericht der Bundesregierung über diewirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe(Künstlerbericht)“ aus dem Jahre 1975 beschäftigt hatte (a. a. O.). DerGesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientiertenKunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zubeurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttypsentspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zuunterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeitankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird (a. a.O.). Voraussetzung ist allerdings, dass die künstlerischen Elemente dasGesamtbild der Beschäftigung prägen, die Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübungbildet (BSG, Urteil vom 23. März 2006, Az: B 3 KR 9/05 R, dokumentiert injuris, Rdnr. 12).
Eine Modedesignerin bzw. ein Modedesigner gehört zu den Künstlern, beidenen das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen ist. Im“Künstlerbericht“ (BTDrs. 7/3071) sind zwar die Modedesigner alsBerufsgruppe neben den Graphik-Designern, Industrie-Designern und Fotodesignernnicht aufgeführt (S. 6), bei den den Industrie-Designern zugeschriebenenkünstlerischen Tätigkeiten findet sich jedoch das Produkt-Design (S. 7), zudenen auch das Modedesign zu zählen ist. Dafür spricht auch die Verordnung zurDurchführung des KSVG vom 23. Mai 1984 (BGBl. I S. 709, außer Kraft), in derdie Modedesigner mit den Grafik-, Textil-, Industriedesignern und Layoutern demBereich bildende Kunst zugeordnet worden sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 der Verordnung;ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. August 1997, Az: L 4 KR 1911/95;LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. September 2009, Az: L 4 KR 216/07, LSGBerlin-Brandenburg, Urteil vom 30. Juni 2010, Az: L 9 KR 578/07; alledokumentiert in juris; siehe auch Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl., §2, Rdnr. 16).
Nach der Ansicht des Gerichts istsie auch als Modedesignerin tätig, wofür schon ihr Abschluss und ihr Außenauftrittsprechen. Es kommt auch nicht darauf an ob die Klägerin in fachkundigen Kreisenals Künstlerin anerkannt ist, da diese Anerkennung nur dann erforderlich ist,wenn es um die Abgrenzung zu einem „kreativen“ Handwerksberuf geht.Für die Klägerin ergibt sich ihre Zuordnung zur Kunst schon als Modedesignerin,sodass es auf die Anerkennung nicht ankommt.
Die Revision zumBundessozialgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.
Schlagworte: Anerkennung in fachkundigen Kreisen,Brautmoden, Katalogberuf, Künstlerbericht, künstlerische Tätigkeit, Künstlersozialversicherung,Festmoden, Modedesigner, Schneidermeister
Ihr Ansprechpartnerim Urheberrecht:
Rechtsanwalt AlexanderGrundmann, LL.M.,
Grundmann HäntzschelRechtsanwälte Leipzig
Urheberrecht, Presse- undVerlagsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz
Mehr Informationen zum Urheberrecht:
https://www.hgra.de/rechtsgebiete/urheberrecht_leipzig/
Rechtstipps und Urteile