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2.11.2016: Observierung wegen des Verdachtes vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit?

Darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit observieren lassen?

Die Observation eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen stellt eine gravierenden, in der Regel rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Dieser Eingriff begründet einen Geldentschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Tatsächlich krank?

Die Arbeitnehmerin war seit Mitte 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Nach internen Meinungsverschiedenheiten im Dezember, meldete sie sich zunächst mit Bronchialerkrankungen und später mit einem Bandscheibenvorfall für die Zeit bis Ende Februar krank. Dabei legte sie 6 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, davon 2 von einem Orthopäden.

Der Arbeitgeber zweifelte das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls allerdings an und beauftragte eine Detektei mit der Observation der Arbeitnehmerin. Diese erfolgte an 4 Tagen, dabei sind Videoaufnahmen entstanden, von denen einige im abschließenden Observationsbericht verwendet wurden.

Die Sektretärin sah sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und forderte eine Geldentschädigung für den immateriellen Schaden, da diese Verletzung eine psychisch Beeinträchtigung hervorgerufen habe. Dabei stellte sie die Höhe der Entschädigung ins Ermessen des Gerichts, hielt aber eine Summe von 10.500,00 Euro für angemessen.

Der Arbeitnehmer rechtfertigte sein Handeln mit der Begründung, er hätte den Verdacht, dass seine Mitarbeiterin den Bandscheibenvorfall vortäusche oder sich zumindest genesungswidrig verhalte.

Keine Überwachung ohne berechtigten Anlass

 Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte fest, dass für die Observation kein hinreichender Verdacht bestand, da vor allem den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein hoher Stellenwert zukomme. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mitarbeiters seien daher unberechtigt. Somit sind die Observation und insbesondere die heimlichen Aufnahmen nicht gerechtfertigt und stellen einen gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin dar.

Diese Persönlichkeitsverletzung begründet zwar grundsätzlich einen Geldentschädigungsanspruch der Arbeitnehmerin, allerdings muss bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes die Intensität des Eingriffs berücksichtigt werden. In diesem Fall berührten die Bildaufnahmen nicht die Privat- und Intimsphäre der Arbeitnehmerin. Zwar wurden die Aufnahmen dem Observationsbericht beigefügt, im Übrigen von der Detektei aber vertraulich behandelt. Eine Entschädigung in der von der Arbeitnehmerin begehrten Höhe war also unverhältnismäßig. Das Gericht sprach ihr lediglich eine Summe von 1.000,00 Euro zu.

Zusammenfassung

Ohne konkrete Vorwürfe kann eine Observation als ungerechtfertigter Eingriff in die Privatsphäre einen Entschädigungsanspruch auslösen.

 

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Rechtsanwalt und Mediator Christoph Häntzschel

Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte

 

Urteil: (BAG v. 19.02.2015, 8 AZR 1007/13)

 

Stichworte: Observation, Arbeitsunfähigkeit, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Bildaufnahmen

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