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Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht

Zur Zulässigkeit identifizierender Berichterstattung in der Presse über Opfer und Täter von Straftaten.

Fälle von Namensnennungen bei der Berichterstattung über Straftaten, wie bei Herrn Zumwinkel oder jüngst Jörg Kachelmann kommen immer wieder vor. Die Identifizierbarkeit und Namensnennung von Beteiligten sind in der Berichterstattung aber ein nicht zu unterschätzendes Problem, denn grundsätzlich berührt eine Berichterstattung bei voller Namensnennung regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Genannten. Genauso kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch betroffen sein, wenn durch die Art und Weise der Berichterstattung die Identifikation von Betroffenen ohne weiteres möglich ist.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergibt sich aus dem Grundgesetz. Nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz hat jeder das Recht hat auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. In Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – ergibt sich, dass zur freien Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht gehört, „in Ruhe gelassen zu werden“.

Zivilrechtlich lässt sich die Wahrung dieses Persönlichkeitsrecht über § 823 in Verbindung mit § 1004 BGB analog einfordern und durchsetzen.

Im Rahmen der Berichterstattung kollidiert dieses Grundrecht regelmäßig mit dem Grundsatz der Pressefreiheit (Artikel 5 I 2 Grundgesetz). Unter Pressefreiheit versteht man im Allgemeinen das Recht der Presse, aber auch des Rundfunks, frei und ohne Zensur über alles zu berichten, was im Interesse der Öffentlichkeit liegt. Es liegt auf der Hand, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unbeschränkt gelten kann, da sonst die Berichterstattung über das Tagesgeschehen praktisch unmöglich wäre.

Wenn diese Grundrechte aufeinandertreffen, ist abzuwägen was wichtiger ist, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Genannten oder die Pressefreiheit, beziehungsweise das Interesse der Öffentlichkeit an einer entsprechenden Berichterstattung.

Nach ständiger Rechtsprechung ist zum einen zu differenzieren, in welche Bereiche des Persönlichkeitsrechts eingegriffen wird und zum anderen inwieweit ein solcher Eingriff geduldet werden muss. Dabei kommt es darauf an, wie stark die entsprechende Person im Interesse der Öffentlichkeit steht.

Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird in verschiedene Sphären aufgeteilt.

An erster Stelle steht die Intimsphäre, dicht gefolgt von der Privatsphäre. Ein Eingriff in die Intimsphäre ist nur gerechtfertigt, wenn der Betroffene seine Erlaubnis dazu erteilt hat.

Die Privatsphäre ist ein ebenso sensibler Bereich der persönlichen Lebensgestaltung. Es müssen besondere Gründe vorliegen, um einen Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen zu rechtfertigen. Ein solcher besonderer Rechtfertigungsgrund kann sein, dass die betreffende Person gerade aufgrund ihrer privaten Lebensführung überhaupt erst im öffentlichen Interesse steht, vor allem in den Fällen, in denen das eigene Privatleben regelrecht durch die betreffende Person vermarktet wird.

Im Bereich der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht negative Sanktionen folgen, etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist (BGH, Urteil vom 21. November 2006, Az.: VI ZR 259/05). Gerade bei der Berichterstattung über die soziale Sphäre gilt, dass der Einzelne sich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss. Wer sich sozial an exponierter Stelle bewegt, setzt sich auch in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Handlungen aus.

Die Verwicklung in eine Straftat rechtfertigt die identifizierende Berichterstattung noch nicht:

Bei Opfern von Straftaten ist besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass eine identifizierende Berichterstattung sogar in die Intimsphäre des Opfers einer Straftat eingreifen kann (LG Berlin, Urteil vom 3. November 2009, Az.: 27 O 313/09). Der Opferschutz hat hier stets Vorrang.

Aber auch Täter genießen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Gerade im Hinblick auf die Rehabilitierung des verurteilten Straftäters ist eine identifizierende Berichterstattung problematisch. Hier kann zum Beispiel die Berichterstattung über gerade aus der Haft entlassene Straftäter eine besondere Grenze markieren, weil dann der Gesichtspunkt der Resozialisierung eine vermehrte Bedeutung gewinnt (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 5. Juni 1973 Az.: 1 BvR 536/76). Das Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung und deren Detailgrad ist aber auch hier abzuwägen. In solchen Fällen gilt ebenfalls: Je bekannter die Person, desto mehr steht sie auch im Interesse der Öffentlichkeit und umso eher ist eine identifizierend Berichterstattung möglich.

Die Abwägung ob eine identifizierende Berichterstattung möglich ist oder lieber unterlassen werden sollte hängt von vielen Faktoren ab und beschäftigt immer wieder die Gerichte. Im Zweifel sollte daher stets juristischer Rat eingeholt werden, wenn man eine solche Berichterstattung plant oder sich dagegen zu Wehr setzen möchte.

 

Ihr Ansprechpartner im Presse- und Medienrecht:

 

Alexander Grundmann, LL.M.

Telefon: 0341/22 54 13 82
E-Mail: grundmann [at] hgra.de

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