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27.06.2018: Betriebsbedingte Kündigung – Wiedereinstellungsanspruch bei Kleinbetrieben?

BAG, Urteil vom 19.10.2017, Az. 8 AZR 845/15

Werden in einem Betrieb mit maximal zehn Beschäftigen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, so bestehen bei einem Betriebsübergang keine Wiedereinstellungsansprüche der gekündigten Arbeitnehmer.

 

Zum Fall:

Arbeitnehmer verlangte die Weiterbeschäftigung durch den neuen Betriebsinhaber

Ein Arbeitnehmer war in einer Apotheke mit noch 4 weiteren Arbeitnehmer/innen beschäftigt.

Aus gesundheitlichen Gründen entschied sich die Inhaberin der Apotheke diese zu schließen und kündigte allen Arbeitnehmer/innen. Mit 3 Arbeitnehmern führte sie dennoch zunächst den Betrieb weiter. Entgegen der Erwartung der ehemaligen Inhaberin fand sich nach Ablauf der Kündigungsfristen eine Käuferin. Mit dem Betriebsübergang verpflichtete sich die Käuferin zudem dazu, die 3 zuletzt beschäftigten Angestellten zu übernehmen.

Der Arbeitnehmer verlangt von der neuen Betriebsinhaberin die Wiedereinstellung im Betrieb.

 

Generelle Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiedereinstellung

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann einem Arbeitnehmer, dem wirksam betriebsbedingt gekündigt wurde, ein Anspruch auf Wiedereinstellung zustehen.

Grundsätzlich setzt ein Anspruch auf Wiedereinstellung voraus, dass zwischen dem Zugang einer betriebsbedingten Kündigung i.S.d. § 1 II KSchG und dem Ablauf der Kündigungsfrist wider Erwarten eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, beispielsweise durch Betriebsübergang, für den Arbeitnehmer entsteht.

Ausnahmsweise kann ein solcher Anspruch auch dann entstehen, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht. Eine solche Ausnahme ist zum Beispiel dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang zwar erst nach Ablauf der Kündigungsfrist vollzogen wird, jedoch schon vorher beschlossen wurde.

 

Anwendbarkeit des KSchG

Damit diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über einen Wiedereinstellungsanspruch Anwendung finden, ist jedoch eine betriebsbedingte Kündigung erforderlich, welche an den Maßstäben des § 1 II KSchG zu messen ist.

So stellt der Wiedereinstellungsanspruch eine Kompensation dafür da, dass eine betriebsbedingte Kündigung i.S.v. § 1 II KSchG schon dann wirksam erklärt werden kann, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs lediglich die Prognose besteht, dass am Ende der Kündigungsfrist eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Die Kündigung bleibt grundsätzlich auch dann wirksam, wenn sich die Gegebenheiten entgegen der ursprünglichen Prognose entwickeln.

In Kleinbetrieben ist gem. § 23 I 2-4 KSchG der allgemeine Kündigungsschutz nicht anwendbar. Es bedarf weder eines Kündigungsgrundes i.S.d. § 1 II KSchG, noch einer Prognose des Arbeitgebers. Demnach sollen nach Ansicht des BAG auch die für eine Kündigung nach § 1 II KSchG entwickelten Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch auf Kündigungen in Kleinbetrieben keine Anwendung finden.

 

Bei einem Betrieb mit maximal 10 Mitarbeitern liegt ein Kleinbetrieb vor

Da die Apotheke, in der der Arbeitnehmer beschäftigt war, nicht mehr als 10 Mitarbeiter umfasste, war auf seine Kündigung weder der allgemeine Kündigungsschutz, noch die dazu entwickelten Grundsätze über einen Wiedereinstellungsanspruch anzuwenden.

Ob sich ausnahmsweise aus § 242 BGB auch in Kleinbetrieben ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, wenn der Betrieb entgegen der ursprünglichen Absicht des Arbeitgebers von diesem oder einem Betriebserwerber fortgeführt wird, hat das BAG hier offengelassen. So hätte der Arbeitnehmer diesen Anspruch schon gegenüber der ehemaligen Betriebsinhaberin geltend machen müssen, da diese den Betrieb zunächst noch weiterführte. Entscheidend ist also, wer erstmals entgegen der Prognose des Arbeitgebers eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit schafft.

 

Anspruch gegenüber dem neuen Inhaber?

Auch von der neuen Inhaberin kann der Arbeitnehmer nicht den Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses verlangen. Aus der Vorschrift des § 613 a BGB ergibt sich, dass die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse mit übergehen.

Mithin wäre erforderlich, dass das ehemalige Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch bestand. Im vorliegenden Fall war das Arbeitsverhältnis jedoch schon beendet.

 

Zu beachten

Wird eine Kündigung gerade aufgrund des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils ausgesprochen, so ist diese gem. § 613 a IV BGB unwirksam. Ein Wiedereinstellungsanspruch nach § 242 BGB wird vom BAG in Zweifel gezogen. So sieht das Gesetz für den Arbeitnehmer als Möglichkeit zur Wahrnehmung seiner Rechte die Kündigungsschutzklage vor. Zu beachten ist hierbei, dass auch auf Kleinbetriebe die Klagefrist von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung gem. § 4 S.1 KSchG einzuhalten ist, da die Kündigung sonst gem. § 7 KSchG als wirksam zustande gekommen gilt.

 

Ihr Berater in Fragen des Arbeitsrechts:

Christoph Häntzschel, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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