20. November 2012: Urteil des BGH zur Haftung von Eltern bei Filesharing ihrer minderjährigen Kinder.
BGH- Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus
Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 30. März 2011 – 28 O 716/10, veröffentlicht in Computer und Recht (CR) 2011, Seite 687
OLG Köln – Urteil vom 23. März 2012 – 6 U 67/11, veröffentlicht u.a. in Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP) 2012, Seite 1007
Abmahnung und Klage gegen die Eltern eines Filesharers
Abgemahnt und dann geklagt hatten die Rasch Rechtsanwälte aus Hamburg. Die Rasch Rechtsanwälte vertraten vier Tonträgerhersteller, denen ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte an vielen Liedern zustehen.
Ein von den Musikunternehmen beauftragtes Unternehmen, dass das Internet und insbesondere die Tauschbörsen auf Urheberrechtsverstöße durchsucht, erwischte einen Interentanschluss , über den in einer Tauschbörse über 1000 Audiodateien zum kostenlosen Download angeboten wurden.
Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (die Musikunternehmen hatten Strafanzeige gestellt) hat die Staatsanwaltschaft beim Internetproviders über die IP-Adresse ermittelt, dass der Internetanschluss der späteren Beklagten für das Filesharing genutz wurde.
Bei den Beklagten handelt es sich um einen Chefarzt und seine Ehefrau, die ihren Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt hatten.
Im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnung der Eltern wurde der PC des Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme „Morpheus“ und „Bearshare“ installiert.
Daraufhin wurden die Eltern als Anschlussinhaber abgemahnt. Die Eltern gaben die geforderte Unterlassungserklärung ab, weigerten sich aber, den ebenfalls geforderterten Schadensersatz und die Abmahnkosten zu zahlen.
Daraufhin wurden die Eltern von den Rasch Rechtsanwälten vor dem Landgericht Köln verklagt. Sowohl das Landgericht als auch in II. Instanz das OLG Köln haben die Eltern zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 € plus Zinsen und zur Erstattung von außergerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € verurteilt.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten seien wegen einer Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke entstanden sei. Sie nehmen die Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Liedern in Anspruch.
Keine Verletzung der Aufssichtspflicht der Eltern
Die Gerichte haben die Verurteilung mit der Haftung der Eltern wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht für ihren Sohn begründet. Danach haften die Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB für Schäden, die das Kind wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht verursacht hat.
Den Eltern wurde vorgeworfen, dass sie die bestehenden Verhaltensregeln für die Internetnutzung ihres Kindes nicht überwacht haben. Konkret hätten die Eltern – so das OLG – auf dem Computer des Kindes eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installieren müssen, das bezüglich der Installation zusätzlicher Programme und damit auch hinsichtlich der Tauschbörsensoftware auf „keine Zulassung“ gestellt sein müsste. Zudem hätte der Computer des Kindes monatlich überprüft werden müssen.
Diese Rechtsansicht hat der BGH jetzt verneint und die Urteile gegen die Eltern aufgehoben. Der BGH sagt: Eltern erfüllen ihre Aufsichtspflicht über ein normales 13-jähriges Kind, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren.
Die Eltern sind aber nicht verpflichtet, die Internetnutzung durch das Kind vorbeugend zu überwachen und dafür den Computer des Kindes zu überprüfen oder den Zugang zum Internet zu versperren. Eine solche Rechtspflicht haben die Eltern erst dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch ihr Kind gibt. Die Entscheidungsgründe des Urteils liegen nocht nicht vor. Allerdings scheint es so zu sein, dass der BGH die Störerhaftung der Eltern an die Störerhaftung etwa von Blogbetreibern oder Providern angleicht, etwa BGH-Urteil vom 25.10.2011 VI ZR 93/10 zur Störerhaftung des Hostproviders für Blogeinträge. Ein Hostprovider kann wegen einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten nur in Anspruch genommen werden, wenn er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrecht.
Ausblick: Das Urteil ist zwar ein großer Erfolg für die betroffenen Eltern. Im nächsten Schritt muss aber die Haftung des Kindes geklärt werden. Die „Täterhaftung“ des Kindes für die Urheberechtsverletzung bleibt grundsätzlich bestehen. Hier dürfte es auf die Deliktsfähigkeit des Kindes ankommen. Und diese Deliktsfähigkeit beginnt eben – anders als die Geschäfstfähigkeit – nicht erst mit 18. Wenn das Kind deliktsfähig war und die Forderungen zwischenzeitlich noch nicht verjährt sind, kann es weiterhin teuer werden.
Unabhängig davon gilt für Eltern: Jetzt erst recht die Kinder über den richtigen Internetumgang belehren und dies – für hoffentlich nicht notwendige Rechtsstreite – beweissicher dokumentieren.
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