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Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung

23. Oktober 2012: Eine Kurzschlussreaktion des Arbeitnehmers rechtfertigt außerordentliche Kündigung durch Arbeitgeber nicht.

Arbeitsgericht Berlin, Urteilvom 25. Mai 2012 – 28 Ca 4449/12

Warum wurde fristlosgekündigt?

Die Klägerin ist alsFloristin angestellt und sowohl der Arbeitgeberin (Beklagten) als deren Ehemannunterstellt. An einem Arbeitstag geriet die Klägerin mit dem Ehemann derBeklagten in Streit. Wie es zu dem Streit kam und wie genau er sich abspielte, schildertendie Parteien sehr unterschiedlich.

Der Ehemann derBeklagten behauptet, die Klägerin habe im Nebenraum ein Brötchen gegessen. NachAufforderung des Ehemannes, sie möchte wieder in den Verkaufsraum gehen undkönne diesen nicht ständig verlassen, sei sie wutentbrannt gegangen. Auch eineangedrohte Kündigung sei ihr egal gewesen.

Die Klägerin schilderte,dass es im Betrieb keine Pausenregelung und keine Sitzmöglichkeit gibt, weshalbman zwischendurch bissweise essen müsse – was sie am besagten Tag zum erstenMal tat.

Der Ehemann derBeklagten stellte noch vor Ort eine fristlose Kündigung handschriftlich aus.

 

Wie sah das Gerichtdie Sache?

Kündigungsgrundkönnte hier die beharrliche Arbeitsverweigerung sein. Der Tatbestand der sog.„beharrlichen Arbeitsverweigerung“ setzt in der Person des Arbeitnehmers dessen„intensive Weigerung“ (Nachhaltigkeit) voraus (wie BAG 21.11.1996, 2 AZR357/95). Von solcher „Nachhaltigkeit“ kann im Zuge dialogischer Konfrontation überdas (ggf. vermeintliche) Recht einer Verkäuferin, zum Verzehr eines Brötchenseine Pause einzulegen, keine Rede sein, solange die vom Arbeitgeber selbst als„wutentbrannt“ geschilderte Betroffene noch keine Möglichkeit hatte, zubesonnener Überlegung und Entschlussfassung zurückzugelangen (vgl. im gleichen Sinne schon LAGFrankfurt/Main 21.05.1985 – 13 Sa 102/05 – BB 1986, 135).

Vielmehr beeinträchtigen Konflikte unsere Wahrnehmungsfähigkeit und unserDenk- und Vorstellungsleben so sehr, dass wir im Lauf der Ereignisse die Dingein uns und um uns herum nicht mehr richtig sehen. Mit der Äußerung derKlägerin, ihr sei eine Kündigung egal, wollte sie folglich nicht zum Ausdruckbringen, dass sie nicht mehr arbeiten wolle, sondern dass sie sich Vorwürfe nichtgefallen lassen möchte. Die Beklagte hätte die Klägerin für einen Moment inRuhe lassen sollen, ehe ihre Präsenz im Verkaufsraum geklärt werden konnte.

Damit war die fristlose Kündigung nach Meinung des Gerichts unwirksam.

Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis jedoch mit der regulären Fristdes § 622 I BGB (gesetzliche Kündigungsfrist) aufgelöst. Es bedurfte insoweit keinesKündigungsgrundes nach § 1 II 2 KSchG, da die Beklagte einen „Kleinbetrieb“unterhält.

 

Unser Rat für denArbeitnehmer:

Sollte es einmal zueinem Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kommen, braucht der Arbeitnehmernicht von vornherein Angst haben, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Zumindest einefristlose Kündigung ist nicht gerechtfertigt, sofern man sich beruhigt und mitdem Arbeitgeber weiterhin höflich umgeht.

In diesem Fallbestehen gute Chancen, einer solchen außerordentlichen Kündigung erfolgreichvor dem Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage entgegenzutreten.

In sog. Kleinbetriebenbesteht aber das Risiko, dass der Arbeitgeber eine einfache fristgebundeneKündigung aussprechen kann. Es ist daher ratsam, auch in zwischenmenschlich strittigenSituationen ruhig zu bleiben und den Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt umein persönliches Gespräch zu bitten, um das Problem klären zu können.

Stichwörter:Arbeitsrecht, fristlose Kündigung Arbeitsverhältnis, Kündigungsschutzklage beharrlicheArbeitsverweigerung

 

Ansprechpartner fürFragen des Arbeitsrechts ist:

RechtsanwaltChristoph Häntzschel, Leipzig

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