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Arbeitsrecht: Nachforderung Lohn durch Leiharbeitnehmer-Ausschlussfristen

9. Januar 2012: Ausschlussfristen des Entleiherbetriebes können unwirksam sein.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.3.2011
Aktenzeichen 5 AZR 7/10

Stichwörter: Ausschlussfristen, Verjährung, Tarifvereinbarungen, Arbeitsvertrag, CGZP, Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit

1. Hintergrund

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die fehlende Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (kurz: CGZP) bedeutet für zahlreiche Leiharbeitnehmer eine Chance auf Lohnnachforderungen. Denn die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge sind infolge der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie nachfolgender Urteile der Arbeitsgerichte als unwirksam zu betrachten. Viele betroffene Leiharbeitnehmer können daher nun die Anpassung ihres Gehalts nach dem „Equal-Pay-Prinzip“ verlangen.

Wir hatten bereits zu diesem Thema in unseren Artikeln „Christliche Gewerkschaft zerschlagen- Lohnnachforderungen von Leiharbeitern zu erwarten“ vom 20. Januar 2011 sowie „Leiharbeitstarife der Tarifgemeinschaft CGZP sind unwirksam- Chance für Lohnzahlungen gestiegen“ vom 21. Juni 2011 berichtet.

2. Entscheidung des Gerichts

Nun hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass für Leiharbeitnehmer Ausschlussfristen des Entleiherbetriebes nicht anzuwenden sind. Denn sie gehören nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).
Im entschiedenen Fall hatte ein Leiharbeitnehmer Lohnnachforderungen geltend gemacht. Sein Arbeitsvertrag enthielt keine Ausschlussfrist für Entgeltansprüche. Der Verleiher berief sich jedoch darauf, dass für die Stammbelegschaft kraft Tarifvertrags Ausschlussfristen geregelt sind. Diese seien auch für den Leiharbeitnehmer anzuwenden, der im Prozess die Vergütungsdifferenz eines vergleichbaren Arbeitnehmers der Stammbelegschaft geltend gemacht hatte. Dabei erfolgte die Geltendmachung durch den Leiharbeitnehmer nach Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist der Anspruch des Leiharbeitnehmers jedoch nicht untergegangen. Denn die im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen gehören bei unionsrechtskonformer Auslegung des AÜG nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen.

3. Auswirkungen auf Ausschlussfristen

Doch was bedeutet dies genau für Forderungen eines Leiharbeiters aus dem Arbeitsvertrag?
Eine Tarifvereinbarung regelt das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich Inhalt, Abschluss und Beendigung.
In einer solchen Tarifvereinbarung können auch Ausschlussfristen geregelt werden. Als Ausschlussfristen werden Fristen bezeichnet, nach deren Ablauf ein Recht erlischt und nicht mehr gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden kann. Der Anspruch erlischt daher. Auch eine gerichtliche Geltendmachung in Form einer Klage ist dann nicht mehr möglich.

Wenn der Arbeitgeber nun eine unwirksame Tarifvereinbarung verwendet, so sind auch die in ihr geregelten Ausschlussfristen nicht mehr gültig. Demnach kann der Anspruchsinhaber seinen Anspruch innerhalb der gesetzlich geregelten Verjährungsfrist von 3 Jahren geltend machen. Einer Beachtung der in der Tarifvereinbarung geregelten Ausschlussfrist bedarf es dann nicht mehr.

4. Eintritt der Verjährung

Die Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnt am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist. Innerhalb dieser 3 Jahre hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Ist die Frist allerdings abgelaufen, so ist auch die Geltendmachung bei Gericht nicht mehr möglich, wenn sich der Arbeitgeber auf die Verjährung des Anspruchs beruft.

Doch meist werden auch diese Verjährungsfristen bei der Anwendung einer solchen Tarifvereinbarung für Leiharbeiter bis zum heutigen Zeitpunkt abgelaufen sein.
Dennoch besteht für die Arbeitnehmer kein Grund zur Besorgnis. Für den Beginn der Verjährungsfrist muss grundsätzlich die Kenntnis von einem solchen Anspruch vorliegen. Kenntnis dürfte jedoch grundsätzlich erst bei Feststellung der Unwirksamkeit der für das Arbeitsverhältnis angewendeten Tarifvereinbarung vorliegen. Demnach ist bei der Bestimmung der Verjährungsfrist auf diesen Zeitpunkt abzustellen.

5. Verwendung von Formulierungen einer unwirksamen Tarifvereinbarung

Auch die Übernahme einer Formulierung der unwirksamen Tarifvereinbarung in den Arbeitsvertrag braucht der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zu fürchten.

Formulierungen im Arbeitsvertrag, die auf einer unwirksamen Tarifvereinbarung beruhen, sind ebenfalls unwirksam. In den meisten Fällen wird bei bestimmten Formulierungen auch auf die Tarifvereinbarung verwiesen.

Der Leiharbeiter hat in einem solchen Fall auch auf diese Weise festgesetzte Ausschlussfristen nicht zu beachten. Allein die Verjährungsfrist von 3 Jahren ist für die Geltendmachung seines Anspruchs bei Gericht durch ihn zu beachten.

6. Praxistipp

Leiharbeitnehmer müssen Ausschlussfristen, welche auf einer unwirksamen Tarifvereinbarung beruhen, nicht beachten.

Allerdings können – unabhängig hiervon – individualvertraglich Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag wirksam vereinbart werden. Daher sollten Forderungen, die der Leiharbeitnehmer geltend machen will, in jedem Fall möglichst schnell geprüft und geltend gemacht werden.

Wichtig für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Leiharbeitsverhältnis ist außerdem die Verjährungsfrist. Demnach müssen etwaige Ansprüche innerhalb von 3 Jahren beim Arbeitsgericht eingeklagt werden.

 

Ansprechpartner für Fragen des Arbeitsrechts ist:

Rechtsanwalt Christoph Häntzschel

www.arbeitsrecht-leipzig-kanzlei.de
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