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Gerichte zur Haftung des Anschlussinhabers bei Tauschbörsennutzung eines Familienmitglieds

Uneinheitliche Rechtsprechung beim Filesharing im Mehrpersonenhaushalt

Die Haftung des Anschlussinhabers für fremde Urheberrechtsverletzungen im Internet beschäftigt weiter die Gerichte.

Ausgangspunkt ist, dass es im Streit vor Gericht eine Vermutung gibt, dass der Anschlussinhaber  auch der Täter der Urheberrechtsverletzung ist. Dann haftet er auch.

Diese Vermutung kann man entkräften. Umstritten ist weiterhin, was man als Anschlussinhaber vor Gericht sagen muss, um diese Vermutung zu erschüttern. Genügt es, dass der Anschlussinhaber sagt, dass andere Familienmitglieder den Internetanschluss selbstständig nutzen? Die Gerichte finden keine einheitliche Antwort auf diese Frage.

Was muss der Anschlussinhaber vorbringen, um nicht als Urheberrechtsverletzer zu gelten?

In den meisten Fällen von Filesharing verlangen Abmahnanwälte von dem Anschlussinhaber, über dessen Internetanschluss die Tauschbörse genutzt wurde, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Zahlung vorn Schadensersatz und Anwaltskosten zur Abgeltung der Schadensersatzansprüche.

Unumstritten gibt – wenn man sich vor Gericht streitet – die Vermutung, dass der Anschlussinhaber auch derjenige ist, der die Rechtsgutsverletzung begangen hat. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung jedoch in der Frage, inwieweit der Anschlussinhaber belegen muss, dass er nicht der illegale Filesharer war. Grundsätzlich muss der Anschlussinhaber die tatsächliche Vermutung widerlegen. Umstritten ist jedoch, wie weit diese Darlegungslast reicht.

Amtsgericht Bielefeld: Verweis auf andere Internetnutzer im Haushalt ist ausreichend

Das Amtsgericht Bielefeld hat unlängst entschieden, dass es ausreicht, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass andere Personen in seinem Haushalt selbstständig den Internetanschluss nutzen. Das begründeten die Richter damit, dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung wohl so ist, dass die Mitbewohner das Internet nutzen, ohne dass der Anschlussinhaber die Nutzung überwacht. Eine Pflicht zur Überwachung der Familie käme nicht in Betracht, da das mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie unvereinbar sei.

Landgericht München : Hinweis auf berufsbedingte Abwesenheit und Mehrpersonenhaushalt genügt nicht

Das Gegenteil entschieden haben kurz nach der Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld die Richter des Landgerichts München mit Urteil vom 19.03.2014. Sie urteilten, dass allein der Vortrag, dass neben dem Anschlussinhaber selbst noch seine Ehefrau und zwei volljährige Kinder den Internetanschluss nutzten, nicht ausreichend ist, um die Vermutung der Täterschaft zu widerlegen. Darüber hinaus trug der Anschlussinhaber vor, zum ermittelten Zeitpunkt des Filesharings arbeiten gewesen zu sein. Auch das war nach Auffassung der Richter nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen. Das Filesharing könne schließlich zu jedem Zeitpunkt angestoßen worden sein. Der Anschlussinhaber galt damit als Urheberrechtsverletzer. Er haftete demnach für das Filesharing und wurde zu Zahlung von Schadensersatz und Anwaltskosten verurteilt.

Geklagt hatte die Kanzlei Waldorf Frommer für die Sony Music Entertainment GmbH.

Fazit

Die Unterschiede der einzelnen Gerichte im Rahmen der Darlegungslast des Anschlussinhabers sind gravierend. Während manche Gerichte detailgenaue Ausführungen zu den Aktivitäten der anderen Nutzer fordern, genügt bei anderen Gerichten der einfache Hinweis auf eine Nutzung des Internetanschlusses durch mehrere Personen.

Diese Uneinheitlichkeit in der Rechtsprechung führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für Anschlussinhaber. Zurzeit ist nicht klar erkennbar, wie viel abgemahnte Anschlussinhaber nun tatsächlich darlegen müssen und inwiefern eine Überwachung der Familienmitglieder erforderlich ist. Und wenn die Gerichte tatsächlich eine Überwachung der Familienmitglieder fordert, so müssen sie sich zukünftig wohl mit dem grundrechtlichen Schutz des Familienlebens und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit auseinandersetzen müssen.

Da für Klagen nach Abmahnungen im Filesharing nicht mehr der fliegende Gerichtsstand gilt, kommt es nach derzeitiger Rechtslage darauf an, wo der abgemahnte Anschlussinhaber wohnt. Hat er Glück, überspannt das für ihn zuständige Gericht die Anforderungen an ihn nicht. Wohnt er im „falschen“ Gerichtsbezirk, hat er Pech. Das kann so nicht sein.

Die Rechtsunsicherheit sollte schnellstens von den Gerichten beseitigt werden, indem endlich eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung erkennbar wird. Sonst kann nur der Bundesgerichtshof durch ein klarstellendes Urteil für Rechtssicherheit sorgen.

 

Urteil vom LG München vom 19.03.2014 (Az.: 21 S 10395/13)

Urteil vom AG Bielefeld vom 06.03.2014 (Az.: 42 C 368/13)

 

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