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Presserecht: „Fliegender Gerichtsstand“ für Persönlichkeitsverletzung im Internet in Berlin

23. Mai 2011 Das Landgericht Berlin zum umstrittenen Gerichsstand für Internet-Delikte. Wo ist das richtige Gericht?

23. Mai 2011

DasLandgericht Berlin hatte in einem Berufungsverfahren über eineEntscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg zu entscheiden, dass fürPersönlichkeitsrechtsverletzungen den „fliegenden Gerichtsstand“- anders als die herrschende Meinung unter Gerichten – verneinte.

 

LandgerichtBerlin, Urteil vom 7. April 2011, Aktenzeichen 27 S 20/10
Vorinstanz:Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 16. November 2010,Aktenzeichen 226 C 130/10

 

BetroffeneGesetze: §§ 32, 35 Zivilprozessordnung (ZPO)

 

Was warpassiert

 

ImGerichtsverfahren wurde um die Erstattung von Rechtsanwaltsgebührengestritten. 
Ursprünglichging es um die Berichterstattung auf einer Internetseite. Die spätereBeklagte, eine im Medienbereich tätige GmbH, berichtete auf ihrer Internetseite über einenbekannten Unterhaltungskünstler und seinen Vater. 
DerUnterhaltungskünstler fühlte sich in seinen Rechten verletzt undließ die Betreiberin der Internetseite durch seinen Rechtsanwaltaußergerichtlich abmahnen. 
DerKünstler sah sich durch die Berichterstattung in seinem allgemeinenPersönlichkeitsrecht verletzt, weil der Bericht über seineBeziehung zu seinem Vater zu seiner Privatsphäre gehöre. 
In derAbmahnung wurde die spätere Beklagte aufgefordert, eineUnterlassungserklärung hinsichtlich der angegriffenenBerichterstattung abzugeben. Die Unterlassungserklärung wurdeabgegeben.Die vomRechtsanwalt des Unterhaltungskünstlers gefordertenRechtsanwaltskosten – Kosten aus einem Gegenstandswert von 5001 € – für die Abmahnung wurden hingegen nicht bezahlt.
 Daherwurde die Abgemahnte vor dem Amtsgericht Charlottenburg auf Zahlungder Rechtsanwaltskosten verklagt. DasAmtsgericht Charlottenburg hat die Klage abgewiesen, weil es sich fürdie Klage für örtlich unzuständig hielt. Das Gericht hielt denGerichtsstand aus unerlaubter Handlung gemäß § 32 ZPO hier nichtfür anwendbar. Deshalb war auf den allgemeinen Gerichtsstand derBeklagten abzustellen. Da die Beklagte ihren Geschäftssitz nicht in Berlinhatte, verneinte das Gericht seine örtliche Zuständigkeit. 
Gegendiese Entscheidung hat der Künstler Berufung beim Landgericht Berlineingelegt und war im Ergebnis überwiegend erfolgreich.

  

Was hatdas Landgericht Berlin entschieden
FliegenderGerichtsstand bestätigt

 

DasLandgericht stellte klar, dass das Amtsgericht gemäß § 32 ZPOzuständig ist, da die unerlaubte Handlung der Berichterstattung auchim Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg begangen wurde.

DasLandgericht erklärt, dass nach ganz überwiegender Rechtsauffassungbei Äußerungen in der Presse oder im Fernsehen, die dasPersönlichkeitsrecht verletzen, überall dort ein „fliegenderGerichtsstand“ nach § 32 ZPO begründet wird, wo die Druckschriftbestimmungsgemäß verbreitet oder die Sendung ausgestrahlt wird. DerBundesgerichtshof hatte in einem grundsätzlichen Urteil im Jahre1977 entschieden, dass bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechtsnicht nur der Ort der Herstellung des Druckwerkes, sondern auch derOrt an dem das Druckwerk bestimmungsgemäß verbreitet wird, sogenannter „Begehungsort“ im Sinne des § 32 ZPO ist.

DieseRechtsprechung gilt im Grundsatz auch für Äußerungen im Internet.

Umstrittenwar, ob die Abrufbarkeit der Internetseite am Gerichtsort ausreicht,oder ob zusätzlich ein konkreter Bezug zum Gerichtsort notwendig ist, um dieZuständigkeit gemäß § 32 ZPO zu begründen. Der Bundesgerichtshofhat in mehreren Entscheidungen zur internationalen Zuständigkeitüber die rein technische Abrufbarkeilt hinaus einen deutlichenInlandsbezug verlangt, um einen Gerichtsstand in Deutschland  zubegründen.

DenGrundgedanken dieser Rechtsprechung überträgt das Gericht nurteilweise auch auf die rein örtliche Zuständigkeit innerhalbDeutschlands.

DasLandgericht Berlin verlangt keinen konkreten Bezug zum Gerichtsort,sondern will umgekehrt bei Meldungen von nur regionalem Interesse dieZuständigkeit auf die betroffenen Gerichtsorte beschränken. 

ImErgebnis bedeutet das: Alle Gerichte in Deutschland sind fürStreitigkeiten um Berichterstattung im Internet grundsätzlich zuständig , es seidenn die Berichterstattung wirkt lediglich lokal oder regional. Dannsind nur die Gerichte örtlich zuständig, auf deren Stadt oderRegion sich der Bericht bezieht. Das Gericht zitiert alsBeispielsfall die Berichtererstattung in der Onlineausgabe einerRegionalzeitung über einen Bürgermeister einer Kleinstadt.

 

Berichterstattungüber Privatsphäre ist unzulässig

Auchinhaltlich war das Gericht zur Frage der Verletzung des allgemeinenPersönlichkeitsrechts auf Seiten des Künstlers. Der Bericht überden Konflikt mit seinem Vater betrifft ausschließlich seinePrivatsphäre und war daher auch nach Abwägung mit demInformationsinteresse der Öffentlichkeit rechtswidrig. 

Allerdingswurde der Schadensersatz wegen der entstandenen Rechtsanwaltskostender Höhe nach beschränkt. Der Künstler hatte mehrere Unternehmendesselben Konzerns wegen Äußerungen auf drei verschiedenenInternetseiten abmahnen lassen. Die Berichte auf den verschiedenenInternetseiten hatten den gleichen Verfasser, waren inhaltlichidentisch und hatten die gleiche Überschrift. Gebührenrechtlichsind die drei konkreten Abmahnung nach der aktuellen Rechtsprechungdes Bundesgerichtshofs eine Angelegenheit. Daher schuldete dasbeklagte Unternehmen nur anteilige Rechtsanwaltskosten. Das führtezu einem Teil-Unterliegen des Künstlers. 
DasLandgericht hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, weil dieFrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wann eineörtliche Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO beiInternetveröffentlichungen die das Persönlichkeitsrecht verletzengegeben ist.  

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