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Arbeitsrecht: Auskunft gegen Arbeitgeber bei erfolgloser Stellensuche

5. Juni 2012: Keine Pflicht zur Auskunft, aber Schweigen als Indiz für Diskriminierung?

 

EuGH, Urteilvom 19. April 2012 – C 415/10

 

1. Zusammenfassung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatentschieden, dass ein abgelehnter Stellenbewerber grundsätzlich keinen Anspruchauf Auskunft darüber hat, ob der Arbeitgeber am Ende einesEinstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. Gleichzeitigschließt das Gericht nicht aus, dass die Verweigerung des Zugangs zuInformationen seitens des Arbeitgebers ein Gesichtspunkt sein kann, der imRahmen des Nachweises von Tatsachen für das Vorliegen einer Diskriminierungheranzuziehen sein kann.

 

2.Sachverhalt

Im entschiedenen Fall hatte sich Frau GalinaMeister, die russischer Herkunft ist, auf eine Stellenanzeige alsSoftwareentwicklerin beworben. Die Stelle war von der Firma Speech Design mehrfachin Stellenanzeigen in der Presse bzw. im Internet ausgeschrieben worden.

Die Bewerbungen waren jeweils abgelehntworden, ohne Frau Meister zu einem Gespräch einzuladen und ohne Gründe fürdiese Ablehnung anzugeben.

Frau Meister war der Ansicht, dass sie dieAnforderungen für die betreffende Stelle erfülle und wegen ihres Geschlechts,ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft ungünstiger behandelt worden sei alseine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Sie hatte daher beimArbeitsgericht Klage erhoben und zum einen Zahlung von Schadensersatz wegenDiskriminierung bei der Beschäftigung und zum anderen Vorlage derBewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers verlangt, um ihr den Nachweiszu ermöglichen, dass sie besser qualifiziert sei als Letzterer.

Der EuGH hatte aufgrund einer Vorlage deszuletzt mit dem Verfahren beschäftigten Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zuentscheiden.

 

3. Entscheidungdes Europäischen Gerichtshofs

Im Rahmen seiner Entscheidung hatte der EuGH darüberzu befinden, ob europäische Richtlinien dahingehend auszulegen sind, dass einemArbeitnehmer, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einemArbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, im Falle seinerNichtberücksichtigung einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunfteingeräumt werden muss, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und,wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass dieeinschlägigen Richtlinien bezüglich des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. zurVerwirklichung von Chancengleichheit (unabhängig von Rasse, ethnischerHerkunft, Geschlecht) dahingehend auszulegen sind, dass sie für einenArbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibunggenannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigtwurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber amEnde des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

Auf der anderen Seite machte das Gerichtklar, dass der Arbeitgeber nicht jeglichen Zugang zu Informationen verweigernkann, welche für den Beweis einer Diskriminierung dienen können. Es sei Sachedes BAG, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigenRechtsstreits zu prüfen, ob die Verweigerung von Informationen ein Indiz füreine Diskriminierung sind.

 

4.Fazit

Wie bereits in der Vergangenheit, lehnt derEuGH einen grundsätzlichen Auskunftsanspruch des abgelehnten Stellenbewerbersab.

Folglich können Arbeitgeber weiterhin mitRecht ein Auskunftsverlangen des unterlegenen Stellenbewerbers ablehnen.

Wenn allerdings dieser Bewerber wegen einerbehaupteten Diskriminierung klagt, kann die vorangegangene Ablehnung dennoch alsIndiz für eine Diskriminierung gewertet werden. Aus diesem Grund kann es für inAnspruch genommene Arbeitgeber sinnvoll sein, im Falle einesAuskunftsverlangens über die Stellenbesetzung zumindest allgemeine Auskunftüber diese zu geben.

Im Ergebnis bleibt jedoch abzuwarten, wie dieArbeitsgerichte im Einzelfall eine Ablehnung von Informationen in ihreBewertung zu einer behaupteten Diskriminierung einfließen lassen. Auch das BAG mussim Falle von Frau Meister noch darüber entscheiden, ob es im Lichte der EuGH-Entscheidungdie Verweigerung von Informationen seitens Speech Design als Indiz für eineDiskriminierung annimmt.

 

Schlagwörter: Bewerbung, Stellenausschreibung,Ablehnung des Bewerbers, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Benachteiligung, Diskriminierung,Entschädigung, Auskunftsanspruch gegen Arbeitgeber

 

Ansprechpartner für Arbeitsrecht ist:

Christoph Häntzschel

Rechtsanwalt

 

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